In der Nacht vom 5. auf den 6. Juli war es vielerorts in Deutschland bewölkt. Trotzdem konnten einige Beobachter eine spektakuläre Show Nachtleuchtender Wolken kurz nach Sonnenuntergang bis zum Morgengrauen über dem Nordhimmel erleben. Und die Anzeichen für für diese Art von Erscheinung waren überaus günstig. Denn auf dem OSWIN Radar des Leibniz-Instituts für Atmosphärenforschung (IAP) in Kühlungsborn, zeigte sich über den Tag verteilt starke Echos in der oberen Atmosphäre um 82 bis 85 km Höhe. Diese Echos waren sogar noch kurz vor Sonnenuntergang auf dem Radarbild erkennbar. Ein derartiges spätes Echo zeigt in der Regel (mit einer Chance von 75%) ausgedehnte Leuchtende Nachtwolken (NLC) nach Sonnenuntergang an.
Mein Blick aus dem Badezimmerfenster, kurz nach 22 Uhr, bestätigten meine Vermutung und brachten mich regelrecht in Hektik. Noch in der hellen Dämmerung sah ich verdächtige Rippenwolken in ca. 10° Horizonthöhe. Ich war mir schnell ziemlich sicher, hier kein troposphärischen Zirrus auf dem Leim gegangen zu sein. Schnell wurde das Satellitenbild im Internet studiert, das eine sich nähernde Kaltfront aus Richtung Westen anzeigte. Würde ich es noch schaffen, nach Treppendorf zu kommen, die Kamera aufzubauen und einige Fotos zu schießen, bevor die Wolkenfront mich erreichte? Ein Versuch war es jedenfalls wert, denn die schwächeren Displays in den zurückliegenden Tagen hatte ich ja leider verpasst.
Kurz vor 22:30 Uhr stand ich auf dem Feld mit Blickrichtung Nordwest und klemmte in Windeseile die Canon EOS EOS 6D mit dem Kitobjektiv aufs Stativ. Ein erstes Foto, das NLC hinter Wolken zeigte, gelang mir um 22:39 Uhr. In Richtung Westen näherte sich schon die Wolkenbank mit der Kaltfront, so dass ich mich entschied, die Kamera auf halbe Automatik zu stellen, um wenigstens ein paar Bilder des spektakulären Displays im Kasten zu haben. Deshalb achtete ich auch nicht unbedingt darauf, dass das Stativ waagerecht stand, was sich bei der Erstellung eines Panoramabildes rächte . Denn die Wolken der sich nähernden Kaltfront zogen recht schnell über den Himmel.
In dieser kurzen Beobachtungszeit, von vielleicht 20 Minuten, konnte man schon sehr deutlich Veränderungen in der Struktur dieser Wolken erkennen. Besonders augenscheinlich war das dreiteilige Rippenmuster, das bis in eine Höhe von 40° über dem Horizont reichte. Die Wolken waren im äußersten NNW deutlich heller und ausgedehnter als im NO. Hier erreichte das Display gerade einmal eine Höhe von 5°über dem Horizont. Die Helligkeit der NLC schätzte ich auf 3–4 und ihre horizontale Ausdehnung auf gut 120°. Plötzlich bildete sich auch ein auffälliger horizontaler Streifen in der Wolkenformation, der sogar noch an Helligkeit gewann. Da waren die troposphärischen Wolken aber schon fast herangezogen. In Richtung Süden war der Himmel nun vollständig bedeckt und Mars und Saturn nicht mehr sichtbar. Die letzten Bilder des beeindruckenden Abenddisplays gelangen mir exakt um 23:00 Uhr.
Zu Hause angekommen, setzte ich mich an den Rechner um die Bilder zu bearbeiten und stellte auch schon die ersten Bilder bei den üblichen Verdächtigen ins Netz. Und auch im NLC-Forum tauchten schon die ersten Bildberichte auf, so z.B. auch aus Dresden und Fulda. Da ahnte noch niemand, dass das Morgendisplays deutlich spektakulärer als das Abenddisplay ausfallen sollte. Zwischendurch riss die Wolkendecke auch mal auf, so dass ich aus meinem Badezimmerfenster aus einen hellen Lichtstreifen direkt über dem Nordhorizont erkennen konnte.
Kurz vor zu Bett gehen, gegen 4 Uhr in der Früh, schaute ich noch einmal aus dem Fenster raus und konnte in einer Wolkenlücke, die knapp 20° Horizonthöhe erreichte, nach wie vor NLC erkennen. Leider war das dann die einzige Sichtung von mir am Morgenhimmel des 6. Juli. Später las ich dann einige Bildberichte aus dem Westen der Republik von sehr hellen Leuchtenden Nachtwolken, die den gesamten Nordhimmel bedeckten und bis in die Zenitregion reichten. Es muss das spektakulärste Morgendisplay der zurückliegenden Jahre gewesen sein. Im Osten der Republik war zu diesem Zeitpunkt, als die NLC ihren zweiten Höhepunkt erreichten, der Himmel nahezu vollständig mit Wolken zugezogen. Erstaunlich war, dass die Wolken noch sichtbar waren, als die Sonne nur noch 4° unter dem Horizont stand! Normalerweise tauchen diese Wolken bei einer Sonnendepression zwischen ‑16 und ‑6 Grad auf. Leider gelangen nur an einigen wenigen Orten im Westen Deutschland Aufnahmen dieser imposanten atmosphärischen Erscheinung, weil das Wetter den Beobachtern wieder einmal einen Strich durch die Rechnung machte. Ein ähnliche, aber nur visuelle, Sichtung eines Morgendisplays, gelang mir übrigens Anfang Juli 2014 in der Nähe von Berlin, als die NLC kurz vor Sonnenaufgang ebenfalls den Zenit erreichten. An diesem Morgen hatte ich aber leider keine Kamera dabei. 😀
Übrigens befinden wir uns momentan am Gipfel der NLC-Saison. Denn noch im gesamten Monat Juli sind weitere spektakuläre NLC-Displays möglich, die sehr leicht auch fotografisch dokumentiert werden können.