In unserer letzten Nacht auf Tivoli – vor unserer Abreise zurück nach Deutschland am nächsten Morgen – wollten wir es mal etwas ruhiger angehen lassen. Schließlich hatten wir schon zwei Nächte zuvor unsere Liste mit den „100 besten Südhimmelobjekten“ abgearbeitet. Während unseres Aufenthalts beobachteten wir mehr als 145 Deep-Sky-Objekte visuell mit dem 12,5 und 25 Zoll Dobson. Auch diesmal stand uns wieder das große 25 x 150 mm Fujinon Astro-Fernglas zur Verfügung. Ich hatte mir auch vorgenommen, nur Stimmungsfotos zu schießen, genau wie in der 1. Nacht auf Tivoli. Und um die letzten Stunden unter dem südlichen Sternenhimmels Namibias richtig genießen zu können, hatten wir auch zwei Liegestühle inklusive warmer Decken zu unserem Beobachtungsplatz gebracht.
Unser Astrokollege Hermann hatte mir den Tipp gegeben, bei der Belichtung der Stimmungsfotos auch die Umgebung mit einer weißen LED-Lampe anzuleuchten. Und auch von Jürgen, dem anderen noch auf Tivoli verbliebenen Astrofotografen, erhielt ich die Erlaubnis. Die anderen Sterngucker waren schon in den Tagen zuvor abgereist, so dass insgesamt nur noch 4 Hobbyastronomen die Gästefarm unsicher machten. Der zunehmende Mond sollte in dieser Nacht erst sehr spät untergehen. So hatte ich schon am Nachmittag meine AstroTrac sicher für die Abreise in meinem Koffer verstaut. Aufgrund des Mondes hätte ich erst sehr spät mit den nachgeführten Aufnahmen beginnen können. Nach dem Abendessen packten wir alles zusammen und machten uns in der Dunkelheit zum letzten Mal auf den Weg zu unserem Beobachtungsplatz. Anschließend schnappte ich mir meine Kamera und Stativ, und erkundete das Gelände, um die passenden Vordergrundobjekte für die Stimmungsaufnahmen zu finden. Uwe hatte in der Zwischenzeit das große Fujinon für sich alleine und beobachte diverse Standardobjekte des Südhimmels.
Ich finde es ja immer wieder erstaunlich, dass selbst bei hellen Mondschein in Namibia, die südliche Milchstraße eindrucksvoll am Himmel steht. Was für Deep-Sky-Beobachter eher hinderlich ist, ist ein Glücksfall für Fotografen, die die Stimmung des nächtlichen Himmels einfangen möchten. Denn die trockene Steppenlandschaft wird dadurch in ein interessantes Licht getaucht. In dieser Nacht bestieg ich zum letzten Mal die Leiter des russischen Robotic-Telecope und baute das Stativ mit der Kamera, die ich mit meinem 8 mm Walimex Fisheye bestückte, auf der schmalen Plattform auf. Dort oben hatte ich einen schönen und außergewöhnlichen Ausblick auf Tivoli und den Sternenhimmel, bis zum Horizont herab. Im Nordwesten verschwand nun auch die letzten Areale der südlichen Sommermilchstraße. In Richtung Osten erschien nun unser Teil der nördlichen Milchstraße mit dem Sommerdreieck. Einige Bilder nahm ich auch in unmittelbaren Umgebung unserer Lodge auf, um den herrlichen Anblick der Galaxis über dem Dachfirst unserer Behausung stimmungsvoll einzufangen.
Kurz nach Mitternacht beendete ich meine Aufnahmeserie und wollte in meinem Liegestuhl noch die letzte Stunde unter dem südlichen Sternhimmel genießen. In der Zwischenzeit hatte auch das Zentrum der Milchstraße die Zenitregion erreicht. Hoch oben über meinem Kopf stand das mächtige Sternbild des Skorpions und noch weiter östlich der Schütze. Entlang der Scheibe unserer Galaxis sah man große und kleinere Dunkelnebel, die das ferne Licht unaufgelöster Sterne unseres Milchstraßensystems verschluckte. Am eindrucksvollsten von allem stach aber der Pfeifennebel in der Bulge unserer Galaxis heraus.
Ich legte mich in den Liegestuhl und nahm mein iPad zur Hand, wo auch in den Nächten zuvor „Space Night“ als musikalische Untermalung leise vor sich hin dudelte. Ich versuchte in dem Meer unzähliger Sterne einzelne südliche Sternbilder zu identifizieren. Im Westen neigte sich schon das Segel und das Sternbild Schiffskiel Richtung Horizont herab. Weiter östlich und etwas höher stand das Kreuz des Südens mit dem Kohlensack. Diesen Anblick der südlichen Milchstraße werde ich wohl am meisten vermissen, wenn ich wieder in Deutschland bin, so dachte ich. Ebenso die Magellanschen Wolken und all die exotischen Sternbilder mit den seltsamen Namen, die von den neuzeitlichen Seefahrern und Astronomen erdacht wurden.
Bevor wir die Beobachtung beendeten, nahm ich zum letzten Mal das große Fujinon-Fernglas zur Hand. Dort drüben über einem kleinen Akazienbaum standen die Magellanschen Wolken in den Sternbildern Schwertfisch/Tafelberg und Tukan, die nach ihrer unteren Kulmination im Süden langsam wieder höher stiegen. Ich warf auch einen letzten Blick auf den Kugelsternhaufen 47 Tucanae, links oberhalb der Kleinen Magellanschen Wolke gelegen. Von den beiden Paradeobjekten Omega Centauri und Centaurus A konnte ich mich einfach nicht los reißen. Beeindruckend auch der Carinanebel im Schiffskiel, der seinesgleichen auf Nordhalbkugel sucht, sowie die Südlichen Plejaden, südwestlich des Carinanebels gelegen. In Richtung Osten standen nun auch die große Sculptor Galaxie im Bildhauer sowie der Helixnebel im Wassermann in guter Beobachtungsposition und zeigten schon im Fernglas zahlreiche Strukturen.
Nachdem wir unseren Astrokram wieder sicher verstaut hatten, machte sich Uwe bereits auf den Weg zurück zu unserer Lodge. Ich wollte noch einige Minuten die Einsamkeit der namibischen Nacht genießen. Ich schaute hoch in Richtung Milchstraßenzentrum und schloss die Augen. Ich nahm nur das Zirpen der Grillen, das Rascheln Palmenblätter im Wind und die mechanischen Geräusche der Windräder war. Meine Armbanduhr zeigte schon 1 Uhr morgens, so dass auch ich mich schließlich auf den Weg zurück zu unserer Lodge machte. Bevor ich die Eingangstür zur Terrasse öffnete, fiel noch ein letzter Blick hoch in Richtung Kreuz des Südens.
In jener Nacht habe ich besser geschlafen, als in der Nacht vor unserer Abreise nach Namibia. Nachdem wir uns nach dem Frühstück von Reinhold und Herrmann verabschiedet hatten, verließen wir kurz darauf die Astrofarm. Der Fahrer, der uns 8 Tage zuvor – zusammen mit Speedy und Gordon – auf der Astrofarm abgeliefert hatte, legte ein gutes Tempo vor, so dass ich mir sicher war, den Flughafen pünktlich zu erreichen. Wir bogen auf die Schotterpiste Richtung Windhoek ein. Es war 11:43 Uhr als wir den Elektrozaun und das Bodengitter am Eingang zur Farm passierten – genügend Zeit also, bis unser Flugzeug am Nachmittag Richtung Johannesburg starten sollte. Während wir die Straße entlang fuhren, schaute ich noch einmal zurück zur Gästefarm, die in einiger Entfernung langsam hinter dem Horizont verschwand.
Weiterführende Links:
- Bildergalerie mit weiteren Fotos unseres Aufenthalts
– Bildergalerie mit den Astrobildern aus Tivoli
– Thread im Forum Astrotreff-Südkurve
– Thread im Astrotreff-Forum
– Tivoli – Southern Sky Guest Farm: Homepage
– Tivoli-Talk: Mai 2014
– Josef Graef: Astrourlaub in Namibia
– Rob Roamings: Namibia/Botswana 2014
Tivoli 2014 – Deep Sky (15,3 KiB, 1.405 hits)
Tabelle, mit den von uns auf Tivoli beobachten Deep-Sky-Objekten
Hier nun endlich die Excel-Tabelle mit Objekt-Beschreibungen und einer kleinen statistischen Auswertung, der von uns aufgesuchten Deep-Sky-Objekte:
Tivoli2014_DS.xlsx
Insgesamt haben wir 147 Objekte visuell beobachtet, davon entfallen 103 “neue” Objekte. Am meisten beobachteten wir demnach 44 Offene Sternhaufen, 40 Kugelsternhaufen und 29 Galaxien.
Schon als kleines Kind habe ich mit meinem Fernglas die Sterne beobachtet. Ich finde das alles so interessant. Auch würde ich so gerne die Antwort auf ausserirdisches Leben erhalten wollen. Aber vielleicht bietet sich ja irgendwann mal die Gelegenheit.
Spektrum der Wissenschaft mit einem interessanten Artikel zum Thema.
Blick an den Südhimmel