Webb beobachtet Polarlichter auf dem Neptun

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Zum ers­ten Mal hat das James-Webb-Welt­raum­te­le­skop der NASA/ESA/CSA hel­le Polar­licht­ak­ti­vi­tä­ten auf Nep­tun ein­ge­fan­gen. Polar­lich­ter ent­ste­hen, wenn ener­gie­rei­che Teil­chen, die oft von der Son­ne stam­men, im Magnet­feld eines Pla­ne­ten gefan­gen wer­den und schließ­lich auf die obe­re Atmo­sphä­re tref­fen. Die bei die­sen Kol­li­sio­nen frei­ge­setz­te Ener­gie erzeugt das cha­rak­te­ris­ti­sche Leuchten.

Neptun
Links ein farb­ver­stärk­tes Bild von Nep­tun vom Hub­ble-Welt­raum­te­le­skop. Rechts wur­de die­ses Bild mit Daten des James Webb-Welt­raum­te­le­skops kom­bi­niert. – Cre­dit: NASA, ESA, CSA, STScI, Hei­di Ham­mel (AURA), Hen­rik Melin (Nor­th­um­bria Uni­ver­si­ty), Leigh Flet­cher (Uni­ver­si­ty of Lei­ces­ter), Ste­fa­nie Milam (NASA-GSFC)

In der Ver­gan­gen­heit haben Astro­no­men span­nen­de Hin­wei­se auf Polar­licht­ak­ti­vi­tät auf Nep­tun beob­ach­tet. Die Abbil­dung und Bestä­ti­gung der Polar­lich­ter auf Nep­tun ist den Astro­no­men jedoch lan­ge Zeit nicht gelun­gen, obwohl sie auf Jupi­ter, Saturn und Ura­nus erfolg­reich nach­ge­wie­sen wur­den. Nep­tun war das feh­len­de Puz­zle­teil, als es dar­um ging, Polar­lich­ter auf den Rie­sen­pla­ne­ten unse­res Son­nen­sys­tems zu ent­de­cken. Die­ses Phä­no­men konn­te nun mit­hil­fe der Nahin­fra­rot-Emp­find­lich­keit von Webb beob­ach­tet werden.

Die Daten wur­den im Juni 2023 mit dem Nahin­fra­rot-Spek­tro­gra­phen von Webb auf­ge­nom­men. Zusätz­lich zum Bild des Pla­ne­ten erhiel­ten die Astro­no­men ein Spek­trum, um die Zusam­men­set­zung und die Tem­pe­ra­tur der obe­ren Atmo­sphä­re des Pla­ne­ten (der Iono­sphä­re) zu mes­sen. Zum ers­ten Mal ent­deck­ten sie eine extrem auf­fäl­li­ge Emis­si­ons­li­nie [1], die auf das Vor­han­den­sein des Tri­hy­dro­gen­ka­ti­ons (H3+) hin­weist, das in Polar­lich­tern ent­ste­hen kann. Auf den Webb-Bil­dern von Nep­tun erscheint die glü­hen­de Auro­ra als cyan­far­be­ne Flecken.

Die Polar­licht­ak­ti­vi­tät auf Nep­tun unter­schei­det sich deut­lich von dem, was wir von der Erde oder sogar von Jupi­ter oder Saturn gewohnt sind. Anstatt sich auf den Nord- und Süd­pol des Pla­ne­ten zu beschrän­ken, befin­den sich die Polar­lich­ter auf Nep­tun in den mitt­le­ren geo­gra­fi­schen Brei­ten des Pla­ne­ten – etwa dort, wo sich auf der Erde Süd­ame­ri­ka befindet.

Dies liegt an der selt­sa­men Beschaf­fen­heit des Magnet­felds des Nep­tun, das ursprüng­lich von der NASA-Son­de Voy­a­ger 2 im Jahr 1989 ent­deckt wur­de und das um 47 Grad gegen­über der Rota­ti­ons­ach­se des Pla­ne­ten geneigt ist. Da die Polar­lich­ter dort ent­ste­hen, wo die Magnet­fel­der in der Atmo­sphä­re des Pla­ne­ten zusam­men­lau­fen, sind Nep­tuns Polar­lich­ter weit von sei­nen Rota­ti­ons­po­len entfernt.

Die bahn­bre­chen­de Ent­de­ckung der Polar­lich­ter des Nep­tuns wird uns hel­fen zu ver­ste­hen, wie das Magnet­feld des Nep­tuns mit Par­ti­keln inter­agiert, die von der Son­ne in die ent­fern­tes­ten Win­kel unse­res Son­nen­sys­tems strö­men – ein völ­lig neu­es Fens­ter in der Atmo­sphä­ren­for­schung der Eisriesen.

Anhand der Webb-Beob­ach­tun­gen konn­te das Wis­sen­schafts­team zudem zum ers­ten Mal seit dem Vor­bei­flug von Voy­a­ger 2 die Tem­pe­ra­tur an der Ober­flä­che der Nep­t­unat­mo­sphä­re mes­sen. Die Ergeb­nis­se geben einen Hin­weis dar­auf, war­um die Polar­lich­ter des Nep­tun den Astro­no­men so lan­ge ver­bor­gen blie­ben: Die obe­re Atmo­sphä­re des Nep­tun hat sich um meh­re­re hun­dert Grad abgekühlt.

Im Lau­fe der Jah­re haben die Astro­no­men die Inten­si­tät von Nep­tuns Polar­lich­tern auf der Grund­la­ge der von Voy­a­ger 2 auf­ge­zeich­ne­ten Tem­pe­ra­tur vor­her­ge­sagt. Eine wesent­lich käl­te­re Tem­pe­ra­tur wür­de zu viel schwä­che­ren Polar­lich­tern füh­ren. Die­se kal­te Tem­pe­ra­tur ist wahr­schein­lich der Grund dafür, dass die Polar­lich­ter des Nep­tun so lan­ge unent­deckt geblie­ben sind. Die dra­ma­ti­sche Abküh­lung deu­tet auch dar­auf hin, dass sich die­ser Bereich der Atmo­sphä­re stark ver­än­dern kann, obwohl der Pla­net im Ver­gleich zur Erde über 30 Mal wei­ter von der Son­ne ent­fernt ist.

Aus­ge­stat­tet mit die­sen neu­en Erkennt­nis­sen hof­fen die Astro­no­men nun, Nep­tun zusam­men mit Webb über einen voll­stän­di­gen Son­nen­zy­klus hin­weg zu unter­su­chen, einen elf­jäh­ri­gen Akti­vi­täts­zeit­raum, der durch das Magnet­feld der Son­ne ange­trie­ben wird. Die Ergeb­nis­se könn­ten Ein­bli­cke in den Ursprung des bizar­ren Magnet­felds des Nep­tuns geben und sogar erklä­ren, war­um es so geneigt ist.

Die­se Beob­ach­tun­gen wur­den im Rah­men der garan­tier­ten Zeit­be­ob­ach­tun­gen im Pro­gramm 1249 (PI: L. Flet­cher) durch­ge­führt. Die Ergeb­nis­se des Teams wur­den in Natu­re Astro­no­my ver­öf­fent­licht.

Endnoten

[1] Eine hel­le Linie in einem Spek­trum, die durch die Emis­si­on von Licht ent­steht. Jedes che­mi­sche Ele­ment emit­tiert und absor­biert Strah­lungs­en­er­gie bei bestimm­ten Wel­len­län­gen. Die Samm­lung der Emis­si­ons­li­ni­en in einem Spek­trum ent­spricht den che­mi­schen Ele­men­ten, die in einem Him­mels­ob­jekt ent­hal­ten sind.

Hintergrundinformationen

Webb ist das größ­te und leis­tungs­stärks­te Tele­skop, das jemals ins All geschos­sen wur­de. Im Rah­men eines inter­na­tio­na­len Koope­ra­ti­ons­ab­kom­mens hat die ESA den Start des Tele­skops mit der Trä­ger­ra­ke­te Aria­ne 5 durch­ge­führt. In Zusam­men­ar­beit mit ihren Part­nern war die ESA für die Ent­wick­lung und Qua­li­fi­zie­rung der Aria­ne-5-Anpas­sun­gen für die Webb-Mis­si­on sowie für die Beschaf­fung des Start­ser­vices durch Aria­nespace ver­ant­wort­lich. Die ESA stell­te auch den Arbeits­spek­tro­gra­phen NIR­Spec und 50 % des Instru­ments für das mitt­le­re Infra­rot (MIRI) zur Ver­fü­gung, das von einem Kon­sor­ti­um aus natio­nal finan­zier­ten euro­päi­schen Insti­tu­ten (dem MIRI Euro­pean Con­sor­ti­um) in Zusam­men­ar­beit mit dem JPL und der Uni­ver­si­tät von Ari­zo­na ent­wi­ckelt und gebaut wurde.

Webb ist eine inter­na­tio­na­le Part­ner­schaft zwi­schen NASA, ESA und der Cana­di­an Space Agen­cy (CSA).

Bild­nach­weis: NASA, ESA, CSA, STScI, Hei­di Ham­mel (AURA), Hen­rik Melin (Nor­th­um­bria Uni­ver­si­ty), Leigh Flet­cher (Uni­ver­si­ty of Lei­ces­ter), Ste­fa­nie Milam (NASA-GSFC)

Links

Link zur ESA-Pres­se­mit­tei­lung weic2507

Andreas

Andreas Schnabel war bis zum Ende der Astronomie-Zeitschrift "Abenteuer Astronomie" im Jahr 2018 als Kolumnist tätig und schrieb dort über die aktuell sichtbaren Kometen. Er ist Mitglied der "Vereinigung für Sternfreunde e.V.". Neben Astronomie, betreibt der Autor des Blogs auch Fotografie und zeigt diese Bilder u.a. auf Flickr.

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