Kandidaten für junge Braune Zwerge außerhalb der Milchstraße gefunden

  • Letz­te Ände­rung:2 Tagen 
  • Lese­zeit:4Minu­ten
  • Wör­ter:860
  • Bei­trags­auf­ru­fe:88

Nahe den Außen­be­zir­ken der Klei­nen Magel­lan­schen Wol­ke, einer Satel­li­ten­ga­la­xie etwa 200.000 Licht­jah­re von der Erde ent­fernt, liegt der jun­ge Stern­hau­fen NGC 602. Die Umge­bung die­ses Hau­fens ist eng mit der Umge­bung des frü­hen Uni­ver­sums ver­gleich­bar, mit sehr gerin­gen Häu­fig­kei­ten von Ele­men­ten, die schwe­rer als Was­ser­stoff und Heli­um sind. Die Exis­tenz dunk­ler Wol­ken aus dich­tem Staub und die Tat­sa­che, dass der Hau­fen reich an ioni­sier­tem Gas ist, deu­ten eben­falls auf die Exis­tenz lau­fen­der Stern­ent­ste­hungs­pro­zes­se hin. Zusam­men mit der zuge­hö­ri­gen HII- Regi­on [1] N90, die Wol­ken aus ioni­sier­tem ato­ma­rem Was­ser­stoff ent­hält, bie­tet die­ser Hau­fen eine wert­vol­le Gele­gen­heit, Stern­ent­ste­hungs­sze­na­ri­en unter dra­ma­tisch ande­ren Bedin­gun­gen als in der Son­nen­um­ge­bung zu untersuchen.

NGC602 JWST
Der Stern­hau­fen NGC 602 befin­det sich im Inne­ren eines gro­ßen Nebels aus viel­far­bi­gem Gas und Staub. Das Mate­ri­al bil­det dunk­le Gra­te und Spit­zen aus Gas und Staub, die den Stern­hau­fen umge­ben und auf der Innen­sei­te beleuch­tet sind, wäh­rend Schich­ten von dif­fu­sen, durch­schei­nen­den Wol­ken dar­über lie­gen. Um den Gas­ne­bel her­um und in ihm selbst kann man eine gro­ße Anzahl von weit ent­fern­ten Gala­xien sowie eini­ge Vor­der­grund­ster­ne sehen. – Cre­dit: ESA/Webb, NASA & CSA, P. Zeid­ler, E. Sab­bi, A. Nota, M. Zama­ni (ESA/Webb)

Ein inter­na­tio­na­les Astro­no­men­team, dar­un­ter Peter Zeid­ler, Ele­na Sab­bi, Ele­na Man­ja­va­cas und Anto­nella Nota, nutz­te Webb zur Beob­ach­tung von NGC 602 und ent­deck­te Kan­di­da­ten für die ers­ten jun­gen Brau­nen Zwer­ge außer­halb unse­rer Milch­stra­ße.

Nur mit der unglaub­li­chen Emp­find­lich­keit und räum­li­chen Auf­lö­sung im rich­ti­gen Wel­len­län­gen­be­reich ist es mög­lich, die­se Objek­te in so gro­ßen Ent­fer­nun­gen zu ent­de­cken“, erklär­te Haupt­au­tor Peter Zeid­ler von AURA/STScI für die Euro­päi­sche Welt­raum­or­ga­ni­sa­ti­on. „Das war noch nie zuvor mög­lich und wird auch in abseh­ba­rer Zukunft vom Boden aus unmög­lich bleiben.“

Brau­ne Zwer­ge sind die mas­se­rei­che­ren Cou­sins​der rie­si­gen Gas­pla­ne­ten (nor­ma­ler­wei­se mit etwa 13 bis 75 Jupi­ter­mas­sen, manch­mal auch weni­ger). Sie sind nicht wie Exo­pla­ne­ten gra­vi­ta­tiv an einen Stern gebun­den. Eini­ge von ihnen wei­sen jedoch ähn­li­che Merk­ma­le wie Exo­pla­ne­ten auf, etwa ihre atmo­sphä­ri­sche Zusam­men­set­zung und ihre Sturm­mus­ter.

„Bis jetzt wuss­ten wir von etwa 3.000 Brau­nen Zwer­gen, aber sie leben alle in unse­rer eige­nen Gala­xie“, füg­te Team­mit­glied Ele­na Man­ja­va­cas von AURA/STScI für die Euro­päi­sche Welt­raum­or­ga­ni­sa­ti­on hinzu.

Die­se Ent­de­ckung unter­streicht die Leis­tungs­fä­hig­keit von Hub­ble und Webb bei der Unter­su­chung jun­ger Stern­hau­fen“, erklär­te Team­mit­glied Anto­nella Nota, Exe­ku­tiv­di­rek­to­rin des Inter­na­tio­nal Space Sci­ence Insti­tu­te in der Schweiz und ehe­ma­li­ge Webb-Pro­jekt­wis­sen­schaft­le­rin bei der ESA. „Hub­ble hat gezeigt, dass NGC 602 sehr jun­ge Ster­ne mit gerin­ger Mas­se beher­bergt, aber erst mit Webb kön­nen wir end­lich das Aus­maß und die Bedeu­tung der sub­stel­la­ren Mas­sen­bil­dung in die­sem Hau­fen erken­nen. Hub­ble und Webb sind ein erstaun­lich leis­tungs­fä­hi­ges Tele­s­kop­duo! “

„Unse­re Ergeb­nis­se pas­sen sehr gut zu der Theo­rie, dass die Mas­sen­ver­tei­lung von Kör­pern unter­halb der Was­ser­stoff­brenn­gren­ze ein­fach eine Fort­set­zung der Stern­ver­tei­lung ist“, erklär­te Zeid­ler. „Sie schei­nen auf die glei­che Wei­se zu ent­ste­hen, sie sam­meln nur nicht genug Mas­se an, um ein voll­wer­ti­ger Stern zu werden.“

Zu den Daten des Teams gehört ein neu­es Bild von NGC 602 mit der Near-InfraRed Came­ra (NIR­Cam), das die Stern­hau­fen, die jun­gen Stern­ob­jek­te und die umge­ben­den Gas- und Staub­rü­cken sowie das Gas und den Staub selbst her­vor­hebt und gleich­zei­tig die erheb­li­che Kon­ta­mi­na­ti­on durch Hin­ter­grund­ga­la­xien und ande­re Ster­ne in der Klei­nen Magel­lan­schen Wol­ke zeigt. Die­se Beob­ach­tun­gen wur­den im April 2023 durchgeführt.

„Durch die Unter­su­chung der jun­gen, metall­ar­men Brau­nen Zwer­ge, die kürz­lich in NGC 602 ent­deckt wur­den, kom­men wir der Ent­schlüs­se­lung der Geheim­nis­se der Ent­ste­hung von Ster­nen und Pla­ne­ten unter den rau­en Bedin­gun­gen des frü­hen Uni­ver­sums einen Schritt näher“ , füg­te Team­mit­glied Ele­na Sab­bi vom NOIR­Lab der NSF, der Uni­ver­si­ty of Ari­zo­na und dem Space Telescope Sci­ence Insti­tu­te hinzu.

„Dies sind die ers­ten sub­stel­la­ren Objek­te außer­halb der Milch­stra­ße“, füg­te Man­ja­va­cas hin­zu. „Wir müs­sen auf bahn­bre­chen­de Ent­de­ckun­gen bei die­sen neu­en Objek­ten vor­be­rei­tet sein!“

Die­se Beob­ach­tun­gen wur­den im Rah­men des JWST GO-Pro­gramms Nr. 2662 (PI: P. Zeid­ler) durch­ge­führt. Die Ergeb­nis­se wur­den im The Astro­phy­si­cal Jour­nal veröffentlicht.

Hinweise

[1] Eini­ge der schöns­ten aus­ge­dehn­ten Objek­te, die wir sehen kön­nen, sind die so genann­ten HII-Regio­nen, auch dif­fu­se Nebel oder Emis­si­ons­ne­bel genannt. Sie ent­hal­ten vor allem ioni­sier­ten Was­ser­stoff und kom­men im gesam­ten inter­stel­la­ren Medi­um der Milch­stra­ße und ande­rer Gala­xien vor.

Hintergrundinformationen

Webb ist das größ­te und leis­tungs­stärks­te Tele­skop, das jemals in den Welt­raum gebracht wur­de. Im Rah­men einer inter­na­tio­na­len Koope­ra­ti­ons­ver­ein­ba­rung stell­te die ESA den Start­dienst des Tele­skops mit der Trä­ger­ra­ke­te Aria­ne 5 bereit. In Zusam­men­ar­beit mit Part­nern war die ESA für die Ent­wick­lung und Qua­li­fi­ka­ti­on der Aria­ne-5-Adap­tio­nen für die Webb-Mis­si­on und für die Beschaf­fung des Start­diens­tes durch Aria­nespace ver­ant­wort­lich. Die ESA stell­te außer­dem den Arbeits­spek­tro­gra­phen NIR­Spec und 50% des Mit­tel­in­fra­rot­in­stru­ments MIRI zur Ver­fü­gung, das von einem Kon­sor­ti­um natio­nal finan­zier­ter euro­päi­scher Insti­tu­te (dem MIRI Euro­pean Con­sor­ti­um) in Zusam­men­ar­beit mit JPL und der Uni­ver­si­ty of Ari­zo­na ent­wor­fen und gebaut wurde.

Webb ist eine inter­na­tio­na­le Part­ner­schaft zwi­schen NASA, ESA und der Cana­di­an Space Agen­cy (CSA).

Bild­nach­weis: ESA/Webb, NASA & CSA, P. Zeid­ler, E. Sab­bi, A. Nota, M. Zama­ni (ESA/Webb)

Links

Link zur ESA-Pres­se­mit­tei­lung weic2425

Andreas

Andreas Schnabel war bis zum Ende der Astronomie-Zeitschrift "Abenteuer Astronomie" im Jahr 2018 als Kolumnist tätig und schrieb dort über die aktuell sichtbaren Kometen. Er ist Mitglied der "Vereinigung für Sternfreunde e.V.". Neben Astronomie, betreibt der Autor des Blogs auch Fotografie und zeigt diese Bilder u.a. auf Flickr.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert