Hobbyastronomen sind ja bekanntlich hart im Nehmen. Sei es, dass sie bei Minustemperaturen draußen in der Kälte am Fernrohr stehen, sich über den neuen Skybeamer einer örtlichen Discothek ärgern oder vom Jagdpächter vom angestammten Beobachtungsplatz vertrieben werden. Das habe ich, und andere, in dieser Art und Weise auch schon einmal erlebt. In der ersten Oktoberwoche konnte ich einige weitere Punkte meiner Ärgernisliste hinzufügen.
Das Wetter verspricht eine klare Nacht. Und so packe ich meine Ausrüstung zur Astrofotografie ins Auto und breche zu meinem angestammten Beobachtungsstandort nach Radensdorf auf. Schon von der Landstraße aus sehe ich zwei Traktoren, die mit ihren Flutlichtscheinwerfern am Feldrand stehen und auf irgendetwas warten. Der Landwirt hat doch nicht etwa vor, heute Nacht sein Feld zu pflügen, wo ich mich eigentlich mit meiner Astrotrac hinstellen möchte? Na ja vielleicht verschwinden sie bald und ich habe endlich meine Ruhe. Ich baue also mein Stativ auf und bin gerade dabei, es in Waage zu bringen, als die Traktoren auf hinauffahren. Der Lichtkegel strahlt direkt in meine Richtung. Zähneknirschend packe ich das Stativ wieder in den Kofferraum und fahre weiter in das Biosphärenreservat hinein. Leider finde ich keinen geeigneten Standort, da überall Bäume die Sicht versperren und der holprige Feldweg, auf dem ich mich eventuell stellen möchte, nicht gerade breit ist. Nicht dass ich hier die nächste Überraschung auf mich wartet und urplötzlich irgendein Jäger den Weg hinuntergefahren kommt. Ich überlege und entscheide mich für den Windpark Briesensee. Dort angekommen ist es schon ziemlich ungewohnt. Der zum Teil recht böige Wind und dazu noch die Geräusche der Windkraftanlagen sind schon recht unangenehm. Wenigstens habe ich hier einen guten Blick in Richtung Osten. Denn das Grenzgebiet der Sternbilder Kassiopeia und Perseus, mit dem Herznebel und dem Doppelsternhaufen h und Chi Persei, ist mein heutiges Ziel für meine Kamera. So noch schnell das Stativ in Waage gebracht und die Astrotrac drauf gesetzt. Erst hier fällt mir auf, dass ich den blauen Koffer mit der Astrotrac zu Hause vergessen habe. Also schmeiße ich abermals das Stativ zurück ins Auto und mache mich auf den 15 km langen Weg zurück nach Hause. Auf der Fahrt überlege ich, wo man sich denn noch hinstellen könnte. Ein alter Beobachtungsstandort befindet sich hier gleich in der Nähe und zwar in Biebersdorf, direkt an der Wendeschleife. Hier stören aber Laternen und die nahe Bundesstraße die Beobachtung doch sehr. Oder stelle ich mich in Treppendorf aufs Feld? In Richtung Nordosten stört aber meine Heimatstadt Lübben mit ihren Lichtern. Außerdem befürchte ich, dort mit meinem Auto im Morast oder in einem tiefen Schlagloch stecken zu bleiben, weil der Weg durch Landmaschinen schon länger ziemlich kaputtgefahren ist.
Nachdem ich meine Astrotrac abgeholt habe, fahre ich wieder in Richtung meines Beobachtungsstandortes. Vielleicht ist der Bauer endlich mit der Arbeit fertig – aber falsch gedacht. So fahre ich weiter die Dörfer entlang und komme durch Burglehn, Alt Zauche und schlussendlich in Wußwerk an. Hier finde ich durch bloßen Zufall endlich eine geeignete Stelle, die etwas abgelegen ist und wo ich meine Ausrüstung aufbauen kann. Hier wird mich garantiert niemand zu nächtlicher Stunde stören. Das Areal hier ist ziemlich groß, so dass man eventuell auch ein kleines Teleskoptreffen stattfinden lassen könnte. In Richtung Westen liegt das Dorf Wußwerk. Im Süden ist der Horizont bis in eine Höhe von zwei Grad nahezu frei. Nur zwei etwas näher stehende Bäume stören im Südosten. Auch der Blick in Richtung Osten ist günstig. Dort befindet sich ein größeres Waldgebiet, der das Streulicht abhält und die Blinklichter der Windräder von Neu Zauche verdeckt, so dass sie nicht sichtbar sind. Der Standort ist auch etwas höher gelegen und nicht so nebelanfällig, wie der in Radensdorf. In Richtung Norden gibt es zwar auch höhere Bäume, die bis auf 40 Grad Höhe die Sicht einschränken. Der Polarstern ist aber sichtbar, so dass man keine Schwierigkeiten hat, die Montierung auf den Himmelspol auszurichten. Ich stelle schließlich in eine kleine Lichtung, die vor dem Wind etwas besser geschützt ist.
Der Aufbau der Astrotrac dauert nur wenige Minuten. Ich packe den Polsucher auf die Montierung und drehe die Beleuchtung auf. Komisch, ich kann die Strichplatte nicht erkennen und schraube die Beleuchtung vom Sucher wieder ab. Erst hier erkenne ich, dass die Lichtfalle, die das Licht auf die Strichplatte projiziert, beim letzten Justageversuch verdreht wurde. Schöner Mist das Ganze. Also hantiere ich mit roter Taschenlampe vor dem Objektiv herum, damit ich die Markierungen so gut wie möglich mit den Sternen im Gesichtsfeld des Polsuchers in Einklang bringen kann. Nach schieren endlosen Minuten bin ich dann sicher, dass die Montierung gut genug auf dem Himmelsnordpol ausgerichtet ist. Nun packe ich die Kamera mit dem über 40 Jahre alten Zeiss 135 mm Teleobjektiv auf den Kugelkopf und drehe die Kamera in Richtung des Sternbilds Perseus. Dank meines neuen 90° Winkelsuchers muss ich mir diesmal nicht den Hals verrenken. Ich starte den Testlauf um zu sehen, ob ich einen günstigen Bildausschnitt erwischt habe. Nach 4 Minuten sehen ich mir das Bild an: Die Sterne sind als Strichspuren verzerrt, obwohl die Nachführung der Montierung eingeschaltet war. Dann erkenne ich, dass ich vergessen habe, die Azimutschraube des Kugelkopfes festzuziehen. Also das Ganze noch einmal vorn. Nach dem Probelauf starte ich die Belichtung erneut und habe vor, maximal 2 Stunden am Stück zu belichten, bis die Montierung wieder von alleine an ihre Ausgangsposition fährt. In der Zwischenzeit bringe ich meine Canon EOS 600D in Position und montiere das Fischaugen-Objektiv daran.
Ich lasse die Montierung ihre Arbeit verrichten und widme mich nun der Strichspuraufnahme. Die Canon EOS 600D stelle ich etwas abseits in Richtung Norden auf und stelle den Timer auf 30 x 3 Minuten ein. Hoffentlich macht mir Tau auf der Linse nicht irgendwann einen Strich durch die Rechnung. Denn die Heizmanschette verwende ich ja schon für die nachgeführte Sternfeldaufnahme an meiner Canon EOS 1000D. Ich starte den Timer und gehe wieder zurück an mein Auto und will mir gerade meinen Kindl schnappen, als ich bemerke, dass die Astrotrac nicht mehr nachführt. Die Energie der Batterien scheinen wohl erschöpft zu sein. Warum habe ich auch nicht gleich die Montierung an meine Power-Station angeschlossen bzw. frisch aufgeladene Enelopps verwendet? So sind gleich 5 Bilder für die Tonne und die Zeit darauf verschwendet. Unglücklicherweise muss ich jetzt auch wieder die Himmelsregion neu einstellen, abermals 1 – 2 Testbilder schießen und mit der Belichtung von vorne beginnen. Meine Uhr zeigt soeben 23:30 Uhr an. Zähneknirschend wiederhole ich das Verfahren und überprüfe vorsorglich auch noch einmal den Fokus, damit ich hinterher keine weitere Überraschung erlebe. Ich starte also die Belichtung erneut und verziehe mich in mein Auto, um endlich in meinem Buch weiterzulesen. Denn die folgenden 2 Stunden werden gefühlt nun ziemlich lang. Zur Beobachtung und Zeitvertreib habe ich auch noch mein Fujinon 7x50 Fernglas mitgenommen, das ich während der Timer sein Belichtungsprogramm abspult, freihändig verwende und es auf einige bekannte Deep-Sky Objekte richte. Zwischendurch sehe ich mir den neuen Standort etwas genauer an.
Nach rund einer Stunde sehe ich routinemäßig mal nach meiner Kamera, die mit den Strichspuraufnahmen beschäftigt ist. Ich stelle fest, dass die Kamera keinen Mucks mehr von sich gibt. Nur der Timer klickt munter vor sich hin. Offensichtlich ist nun wohl auch der Akku der Canon EOS 600D leer. Ich leuchte auf die Frontlinse des Objekltivs und sehe, dass sich schon erster breitgemacht hat. Also müssen wohl 48 Minuten für die Strichspuraufnahme reichen. Derweilen belichtet die Kamera auf der Astrotrac munter weiter vor sich hin.
Nach weiteren 45 Minuten zeigt das akustische Signal der Nachführplattform an, dass die zwei Stunden gleich vorbei sind. 10 Minuten später ist es dann soweit als die Astrotrac wieder auf die Ausgangsposition zurückfährt. Gerade rechtzeitig, denn ich sehe schon die Silhouette aufgehenden des Mondes über dem Waldgebiet im Osten. Und auch die Energie des anderen Kameraakkus nährt sich langsam der Nulllinie. Ich belichte noch schnell 10 Flats und klemme die Kamera vom Kugelkopf ab. Die Dunkelbilder können derweilen auf der Rückbank meines Autos belichtet werden. Also habe ich nun die Zeit, die Ausrüstung in aller Ruhe wieder im Kofferraum zu verstauen, bis ich dann kurz nach 2 Uhr morgens endlich den Heimweg antreten kann. Die Kamera macht derweilen auf dem Beifahrersitz weiter ihre Dunkelbilder. Wieder zu Hause angekommen ist die Ausrüstung recht schnell in der Wohnung verstaut und ein weiteres astrofotografisches Projekt im Kasten.
Was ich zu Beginn nicht vermutet habe war es trotz aller Widrigkeiten eine erfolgreiche Nacht. Das nächste Mal werde ich aber besser vorbereitet sein und die Ausrüstung noch mal überprüfen, bevor ich zu einer weiteren astrofotografischen Tour mit meiner Astrotrac aufbreche. 🙂