Das leidige Thema: „Killerspiele“

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Battlefield VietnamIch kann es ein­fach nicht mehr hören, wenn gewis­se Poli­ti­ker und beson­ders ein Direk­tor des Kri­mi­no­lo­gi­schen For­schungs­in­sti­tut Nie­der­sach­sens ver­su­chen, den Grund für den schreck­li­chen Amok­lauf des 17 jäh­ri­gen Tim K. in einer Real­schu­le in Win­nen­den auf so genann­te „Kil­ler­spie­le“ zu redu­zie­ren und ein Ver­bot die­ser Medi­en for­dern. Das hat zur Fol­ge, dass Mil­lio­nen von Spie­lern, auf Grund ihres Hob­bys, bevor­mun­det, dif­fa­miert und gleich­zei­tig an den Pran­ger gestellt werden.
Nun ich muss zuge­ben, dass ich ab und zu selbst die­se Spie­le spie­le. Aller­dings wür­de ich mich nicht als typi­schen Gamer bezeich­nen. Dann schon eher mei­nen Bru­der, der einen Groß­teil sei­ner Frei­zeit am Rech­ner oder an den Kon­so­len verbringt.

Als ich am 11. März gegen Mit­tag zum ers­ten Mal von die­sem Amok­lauf hör­te, ahn­te ich schon, dass wie­der ein­mal die Debat­te um ein ver­schärf­tes Waf­fen­recht und Jugend­schutz­ge­setz, im Zusam­men­hang mit Ego-Shoo­tern (popu­lis­tisch auch „Kil­ler­spiel“ genannt), auf­kom­men wird. Und so war es dann auch, als eine Fern­seh­mo­de­ra­to­rin einen Repor­ter frag­te, ob der Täter Gewalt­spie­le gespielt hat. Die Medi­en hoff­ten hier wohl instän­dig, dass die Poli­zei auf Tim K. Rech­ner Coun­ter Strike fin­den wür­de. Und hier muss sich der auf­ge­klär­te Zuschau­er, im Zusam­men­hang mit die­ser rei­ße­risch auf­ge­ar­bei­te­ten Bericht­erstat­tung, auch fra­gen, ob die Medi­en schon mal was von jour­na­lis­ti­scher Ethik gehört haben. Bei einer einer gewis­sen Tages­zei­tung mit den 4 gro­ßen Buch­sta­ben bin ich es ja gewohnt, aber dass auch die „seriö­se“ Pres­se oder sogar die öffent­lich Recht­li­chen auf den Zug auf­sprin­gen um Quo­te zu machen, ist weni­ger verständlich. 

Je wei­ter die Woche also vor­an schritt, des­to mehr lief alles auf das The­ma „Waf­fen“ und „Kil­ler­spie­le“ hin­aus. Was die meis­ten Poli­ti­ker aber ver­ges­sen haben, dass unse­re Ellen­bo­gen­ge­sell­schaft wohl eine gewis­se Mit­schuld trifft. Denn kei­ner wird als Amok­läu­fer gebo­ren. Die Gesell­schaft macht einen psy­chisch labi­len Men­schen erst zu sol­chen Tätern.
Natür­lich ist es dann nur recht und beson­ders bil­lig einen Sün­den­bock zu suchen und die Sym­pto­me zu bekämp­fen und nicht die Krank­heit sel­ber. Des­halb taucht die­se „Killerspiel“-Debatte wie­der aus der Ver­sen­kung auf.

Deutsch­land hat eines der schärfs­te Jugend­schutz­ge­set­ze welt­weit. Das Gesetz sagt hier ein­deu­tig aus, dass nur Jugend­li­che Medi­en kon­su­mie­ren dür­fen, die für ihr Alter auch geeig­net sind. Und es ist auch legi­tim, dass sol­che Medi­en nicht für Jugend­li­che unter 18 Jah­ren frei­ge­ge­ben wer­den oder sogar eine Inde­xie­rung erfah­ren. Ich habe aller­dings kein Ver­ständ­nis, wie eini­ge Poli­ti­ker es for­dern, dass auch Erwach­se­ne durch ein strik­tes Ver­bot von Gewalt­spie­len bzw. ‑fil­men benach­tei­ligt wer­den sol­len. Dies käme schon einer Zen­sur gleich.

Letz­ten Endes sind auch die Eltern in der Ver­ant­wor­tung, weil sie nor­ma­ler­wei­se kon­trol­lie­ren müss­ten, wel­che Medi­en ihre Spröss­lin­ge kon­su­mie­ren und wie lan­ge die Kin­der zum Bei­spiel vor dem Com­pu­ter sit­zen. Man sagt dazu auch Eigen­ver­ant­wor­tung und Medi­en­kom­pe­tenz. Aber mit was sol­len sich unse­re Klei­nen auch beschäf­ti­gen, wenn bei immer mehr Frei­zeit­an­ge­bo­ten der Rot­stift ange­setzt wird oder erst gar nicht vor­han­den sind?
Natür­lich ist es am bequems­ten, ein­fach den Nach­wuchs vor einen flim­mern­den Kas­ten zu set­zen, damit die Pla­gen wenigs­tens für eini­ge Stun­den Ruhe geben anstatt mit den Kin­dern über ihre All­tags­pro­ble­me zu spre­chen. Und meis­tens ken­nen sich die Spröss­lin­ge sowie­so bes­ser mit den neu­en Medi­en aus als ihre Eltern. Des­halb ist ein Ver­bot, soll­te es das denn jemals geben, in Zei­ten des gren­zen­lo­sen Inter­nets wohl kaum durch­zu­set­zen – zumal das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt hier auch noch ein Wört­chen mit­zu­re­den hätte. 😉

Unmög­lich auch das, nen­nen wir es mal popu­lis­ti­sche und pola­ri­sie­ren­de Gesab­bel, eini­ger „Exper­ten“, die irgend­wel­che kau­sa­len Zusam­men­hän­ge zwi­schen dem Kon­sum sol­cher Spie­le und ech­ter Gewalt sehen wol­len und auch vor dreis­te Lügen nicht zurück­schre­cken, um ihre faden­schei­ni­gen Argu­men­te zu stüt­zen. Wie Hohn klingt näm­lich auch der so genann­te „Köl­ner Auf­ruf“, wo ein Zusam­men­hang kon­stru­iert wird, dass Com­pu­ter­spie­le Teil einer indus­tri­el­len und mili­tä­ri­schen Ver­schwö­rung sein sol­len. Nach Ansicht der Autoren die­ses Pam­phlet, sol­len so genann­te „Kil­ler­spie­le“ die Haupt­schuld an der Ver­ro­hung der Gesell­schaft und inbe­son­de­re unse­rer Jugend tragen.
Jeder Inter­es­sier­te soll­te sich ein­mal den Kom­men­tar der Gesell­schaft für Medi­en­päd­ago­gik und Kom­mu­ni­ka­ti­ons­kul­tur und die­sen Blog-Arti­kel zum „Köl­ner Auf­ruf“ zu Gemü­te führen.

Andreas

Andreas Schnabel war bis zum Ende der Astronomie-Zeitschrift "Abenteuer Astronomie" im Jahr 2018 als Kolumnist tätig und schrieb dort über die aktuell sichtbaren Kometen. Er ist Mitglied der "Vereinigung für Sternfreunde e.V.". Neben Astronomie, betreibt der Autor des Blogs auch Fotografie und zeigt diese Bilder u.a. auf Flickr.

Ein Kommentar:

  1. Also nun doch: Als Reak­ti­on zum Amok­lauf for­dern jetzt die Innen­mi­nis­ter der deut­schen Bun­des­län­der ein Ver­bot von sog. „Kil­ler­spie­len“. Da sträu­ben sich einem wirk­lich die Haa­re. Bin ja mal gespannt was als nächs­tes kommt. Schließ­lich ist ja Wahl­jahr und sicher fal­len noch eini­ge poten­ti­el­le Wäh­ler auf die­sen popu­lis­ti­schen Unsinn herein.

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