Hubble entdeckt ultramassereichen Weißen Zwerg

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Ein inter­na­tio­na­les Astro­no­men­team hat mit­hil­fe des Hub­ble-Welt­raum­te­le­skops der NASA/ESA eine stel­la­re Rari­tät ent­deckt: einen ultra­mas­se­rei­chen Wei­ßen Zwerg, der nicht durch die Ent­wick­lung eines ein­zel­nen Sterns, son­dern durch die Ver­schmel­zung eines Wei­ßen Zwergs mit einem ande­ren Stern ent­stand. Die­se Ent­de­ckung, die durch Hub­bles emp­find­li­che Ultra­vio­lett-Beob­ach­tun­gen ermög­licht wur­de, deu­tet dar­auf hin, dass die­se sel­te­nen Wei­ßen Zwer­ge häu­fi­ger vor­kom­men könn­ten als bis­her vermutet.

Ein Wei­ßer Zwerg ist der End­zu­stand eines Sterns, der nicht mas­se­reich genug ist, um als Kern­kol­laps-Super­no­va zu explo­die­ren. Der Über­gang zu einem Wei­ßen Zwerg beginnt, wenn ein Stern sei­nen Was­ser­stoff­vor­rat im Kern erschöpft hat. Die Ver­än­de­run­gen im und um den Kern des Sterns her­um füh­ren dazu, dass der Stern sei­ne äuße­ren Schich­ten in einem mas­si­ven Ster­nen­aus­bruch aus­stößt und sei­nen dich­ten, erd­gro­ßen Kern frei­legt, der sich zu einem Wei­ßen Zwerg ent­wi­ckelt. Die Ker­ne von Wei­ßen Zwer­gen bestehen je nach Mas­se des Vor­läu­fer­sterns meist ent­we­der aus Koh­len­stoff und Sau­er­stoff oder aus Sau­er­stoff und Neon. Die Son­ne wird in etwa 5 Mil­li­ar­den Jah­ren zu einem Wei­ßen Zwerg werden.

Weißer Zwerg
Die­se künst­le­ri­sche Abbil­dung zeigt einen Wei­ßen Zwerg­stern, der Mate­ri­al von einem Roten Rie­sen­stern absaugt. – Cre­dit: NASA, ESA, R. Craw­ford (STScI)

Wei­ße Zwer­ge kön­nen theo­re­tisch eine Mas­se von bis zu 1,4 Son­nen­mas­sen besit­zen, doch mas­se­rei­che­re Wei­ße Zwer­ge sind sel­ten. Die­se Objek­te, die Astro­no­men als ultra­mas­se­rei­che Wei­ße Zwer­ge bezeich­nen, kön­nen ent­we­der durch die Ent­wick­lung eines ein­zel­nen mas­se­rei­chen Sterns oder durch die Ver­schmel­zung eines Wei­ßen Zwergs mit einem ande­ren Stern entstehen.

Kürz­lich unter­such­ten Astro­no­men mit­hil­fe des Cos­mic Ori­g­ins Spec­tro­graph des Hub­ble-Tele­skops einen sol­chen ultra­mas­se­rei­chen Wei­ßen Zwerg, WD 0525+526. WD 0525+526 ist nur 128 Licht­jah­re ent­fernt und hat eine um 20 Pro­zent höhe­re Mas­se als die Son­ne. Im sicht­ba­ren Licht ähnel­te das Spek­trum der Atmo­sphä­re von WD 0525+526 dem eines typi­schen Wei­ßen Zwergs. Das Ultra­vio­lett­spek­trum des Hub­ble-Tele­skops offen­bar­te jedoch etwas Unge­wöhn­li­ches: Hin­wei­se auf Koh­len­stoff in der Atmo­sphä­re des Wei­ßen Zwergs. 

Wei­ße Zwer­ge, die durch die Ent­wick­lung eines ein­zel­nen Sterns ent­ste­hen, haben eine Atmo­sphä­re aus Was­ser­stoff und Heli­um. Die­se dich­ten Atmo­sphä­ren bede­cken die Koh­len­stoff-Sau­er­stoff- oder Sau­er­stoff-Neon-Ober­flä­che des Wei­ßen Zwergs und ver­hin­dern nor­ma­ler­wei­se, dass die­se Ele­men­te in sei­nem Spek­trum erscheinen.

Wenn Koh­len­stoff im Spek­trum eines Wei­ßen Zwergs erscheint, kann dies auf einen gewalt­sa­me­ren Ursprung hin­wei­sen als das typi­sche Ein­zel­stern-Sze­na­rio: die Kol­li­si­on zwei­er Wei­ßer Zwer­ge oder eines Wei­ßen Zwergs mit einem Unter­rie­sen. Eine sol­che Kol­li­si­on kann die Was­ser­stoff- und Heli­um­at­mo­sphä­ren der kol­li­die­ren­den Ster­ne ver­bren­nen und eine dün­ne Schicht aus Was­ser­stoff und Heli­um um den Fusi­ons­über­rest zurück­las­sen. Die­se ermög­licht es dem Koh­len­stoff aus dem Kern des Wei­ßen Zwergs nach oben zu stei­gen, wo er nach­ge­wie­sen wer­den kann.

„Die­se Ent­de­ckung unter­streicht, dass die Din­ge anders sein kön­nen, als sie uns auf den ers­ten Blick erschei­nen“, sag­te der lei­ten­de For­scher des Hub­ble-Pro­gramms, Boris Gaen­si­cke von der Uni­ver­si­ty of War­wick in Groß­bri­tan­ni­en. „Bis­lang schien es sich um einen nor­ma­len Wei­ßen Zwerg zu han­deln, aber die ultra­vio­let­ten Augen des Hub­ble-Tele­skops haben gezeigt, dass er eine ganz ande­re Geschich­te hat, als wir ver­mu­tet hät­ten. Es ist, als wür­de man einer Per­son, die man gut zu ken­nen glaubt, eine ganz ande­re Fra­ge stellen.“

Die­se Ent­de­ckung ist die ers­te, bei der ein aus kol­li­die­ren­den Ster­nen ent­stan­de­ner Wei­ßer Zwerg anhand sei­nes ultra­vio­let­ten Spek­trums iden­ti­fi­ziert wur­de. Vor die­ser Stu­die wur­den sechs Fusi­ons­pro­duk­te Wei­ßer Zwer­ge anhand von Koh­len­stoff­li­ni­en in ihren Spek­tren im sicht­ba­ren Licht ent­deckt. Alle sie­ben gehö­ren zu einer grö­ße­ren Grup­pe, die laut einer Stu­die der ESA-Mis­si­on Gaia aus dem Jahr 2019 blau­er ist als auf­grund ihrer Mas­se und ihres Alters zu erwar­ten wäre, wobei die Hin­wei­se auf Ver­schmel­zun­gen neue Ein­bli­cke in ihre Ent­ste­hungs­ge­schich­te liefern.

WD 0525+526 ist selbst inner­halb der klei­nen Grup­pe von Wei­ßen Zwer­gen, die als Pro­dukt ver­schmel­zen­der Ster­ne bekannt sind, bemer­kens­wert. Mit einer Tem­pe­ra­tur von fast 21.000 Kel­vin und einer Mas­se von 1,2 Son­nen­mas­sen ist WD 0525+526 hei­ßer und mas­se­rei­cher als die ande­ren Wei­ßen Zwer­ge die­ser Gruppe.

Die extre­me Tem­pe­ra­tur von WD 0525+526 stell­te für das Team ein Rät­sel dar. Bei küh­le­ren Wei­ßen Zwer­gen, wie den sechs zuvor ent­deck­ten Ver­schmel­zungs­pro­duk­ten, kann ein Pro­zess namens Kon­vek­ti­on Koh­len­stoff in die dün­ne Was­ser­stoff-Heli­um-Atmo­sphä­re ein­mi­schen. WD 0525+526 ist jedoch zu heiß, als dass Kon­vek­ti­on statt­fin­den könn­te. Statt­des­sen stell­te das Team fest, dass ein sub­ti­le­rer Pro­zess namens Semikon­vek­ti­on eine gerin­ge Men­ge Koh­len­stoff in die Atmo­sphä­re von WD 0525+526 beför­dert. WD 0525+526 hat den gerings­ten Koh­len­stoff­ge­halt in der Atmo­sphä­re aller bekann­ten Wei­ßen Zwer­ge, die aus einer Ver­schmel­zung her­vor­ge­gan­gen sind, etwa 100.000 Mal weni­ger als ande­re Verschmelzungsreste.

Auf­grund der hohen Tem­pe­ra­tur und des gerin­gen Koh­len­stoff­ge­halts wäre es ohne Hub­bles Emp­find­lich­keit gegen­über ultra­vio­let­tem Licht unmög­lich gewe­sen, die­sen Wei­ßen Zwerg als Pro­dukt einer Ver­schmel­zung zu iden­ti­fi­zie­ren. Bei hei­ße­ren Wei­ßen Zwer­gen wer­den die Spek­tral­li­ni­en von Ele­men­ten, die schwe­rer als Heli­um sind, wie etwa Koh­len­stoff, im sicht­ba­ren Wel­len­län­gen­be­reich schwä­cher, doch im Ultra­vio­lett­be­reich blei­ben die­se Spek­tral­si­gna­le hell. Hub­ble ist in der Lage, sie zu erkennen.

„Der Cos­mic Ori­g­ins Spec­tro­graph des Hub­ble-Tele­skops ist das ein­zi­ge Instru­ment, das die her­vor­ra­gen­de Qua­li­tät der Ultra­vio­lett-Spek­tro­sko­pie lie­fern kann, die erfor­der­lich war, um den Koh­len­stoff in der Atmo­sphä­re die­ses Wei­ßen Zwergs nach­zu­wei­sen“, sag­te die Stu­di­en­lei­te­rin Sne­ha­la­ta Sahu von der Uni­ver­si­ty of Warwick.

Da die unge­wöhn­li­che Ent­ste­hung von WD 0525+526 erst bekannt wur­de, als Astro­no­men sein Ultra­vio­lett­spek­trum unter­such­ten, ist es wahr­schein­lich, dass auch ande­re schein­bar „nor­ma­le“ Wei­ße Zwer­ge das Ergeb­nis kos­mi­scher Kol­li­sio­nen sind – eine Mög­lich­keit, die das Team in Zukunft ger­ne wei­ter erfor­schen möchte.

„Wir möch­ten unse­re For­schung zu die­sem The­ma erwei­tern, indem wir unter­su­chen, wie häu­fig koh­len­stoff­hal­ti­ge Wei­ße Zwer­ge sind und wie vie­le Stern­ver­schmel­zun­gen sich unter den nor­ma­len Wei­ßen Zwer­gen ver­ber­gen”, sag­te Stu­di­en­lei­ter Antoine Bed­rad von der Uni­ver­si­ty of War­wick. „Das wird einen wich­ti­gen Bei­trag zu unse­rem Ver­ständ­nis von Wei­ßen Zwer­gen in Dop­pel­stern­sys­te­men und auf den Weg zu Super­no­va-Explo­sio­nen leisten.“

Der Arti­kel des Teams wur­de in Natu­re Astro­no­my ver­öf­fent­licht.

Hintergrundinformationen

Das Hub­ble-Welt­raum­te­le­skop ist ein inter­na­tio­na­les Koope­ra­ti­ons­pro­jekt zwi­schen ESA und NASA.

Bild­nach­weis: NASA, ESA, R. Craw­ford (STScI)

Links

Link zur ESA-Pres­se­mit­tei­lung heic2510

Andreas

Andreas Schnabel war bis zum Ende der Astronomie-Zeitschrift "Abenteuer Astronomie" im Jahr 2018 als Kolumnist tätig und schrieb dort über die aktuell sichtbaren Kometen. Er ist Mitglied der "Vereinigung für Sternfreunde e.V.". Neben Astronomie, betreibt der Autor des Blogs auch Fotografie und zeigt diese Bilder u.a. auf Flickr.

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