„Kosmisches Duell“: Astronomen beobachten heftige Kollision zweier Galaxien

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Astro­no­men haben zum ers­ten Mal eine hef­ti­ge kos­mi­sche Kol­li­si­on beob­ach­tet, bei der eine Gala­xie eine ande­re mit inten­si­ver Strah­lung durch­dringt. Die heu­te in Natu­re ver­öf­fent­lich­ten Ergeb­nis­se zei­gen, dass die­se Strah­lung die Fähig­keit der betrof­fe­nen Gala­xie zur Bil­dung neu­er Ster­ne beein­träch­tigt. Die neue Stu­die kom­bi­niert Beob­ach­tun­gen des Very Lar­ge Telescope (VLT) der Euro­päi­schen Süd­stern­war­te (ESO) und des Ata­ca­ma Lar­ge Millimeter/submillimeter Array (ALMA) und ent­hüllt alle Details die­ser galak­ti­schen Auseinandersetzung.

ALMA-Bild
Die­ses Bild, das mit dem Ata­ca­ma Lar­ge Millimeter/submillimeter Array (ALMA) auf­ge­nom­men wur­de, zeigt den Gehalt an mole­ku­la­rem Gas in zwei Gala­xien, die an einer kos­mi­schen Kol­li­si­on betei­ligt sind. In der rech­ten Gala­xie befin­det sich ein Qua­sar – ein super­mas­se­rei­ches Schwar­zes Loch, das Mate­ri­al aus sei­ner Umge­bung auf­nimmt und inten­si­ve Strah­lung direkt in die ande­re Gala­xie abgibt. – Cre­dit: ALMA (ESO/NAOJ/NRAO)/S. Balas­hev and P. Noter­dae­me et al.

In den fer­nen Tie­fen des Uni­ver­sums begeg­nen sich zwei Gala­xien in einem span­nen­den Wett­streit. Immer wie­der rasen sie mit einer Geschwin­dig­keit von 500 km/s auf­ein­an­der zu, nur um sich wäh­rend eines Vor­bei­flugs zu tou­chie­ren, bevor sie sich zurück­zie­hen und zu einer neu­en Run­de anset­zen. „Wir bezeich­nen die­ses Sys­tem daher als »kos­mi­sches Duell«“, sagt Pas­quier Noter­dae­me, Co-Autor der Stu­die und For­scher am Insti­tut d’As­tro­phy­si­que de Paris in Frank­reich und am fran­zö­sisch-chi­le­ni­schen Labor für Astro­no­mie in Chi­le, und sieht in dem Vor­gang eine Ana­lo­gie mit einem mit­tel­al­ter­li­chen Rit­ter­tur­nier. Aller­dings sind die­se galak­ti­schen Rit­ter nicht beson­ders edel­mü­tig, zumal einer von ihnen einen unfai­ren Vor­teil hat: Er nutzt einen Qua­sar, um sei­nen Geg­ner mit einer Lan­ze aus Radio­wel­len zu treffen.

Qua­sa­re sind die hel­len Ker­ne eini­ger weit ent­fern­ter Gala­xien, die von super­mas­se­rei­chen Schwar­zen Löchern ange­trie­ben wer­den und enor­me Men­gen an Strah­lung abge­ben. Sowohl Qua­sa­re als auch Gala­xien­ver­schmel­zun­gen tra­ten frü­her viel häu­fi­ger auf, ins­be­son­de­re in den ers­ten Mil­li­ar­den Jah­ren des Uni­ver­sums. Um sie zu beob­ach­ten, bli­cken Astro­no­men mit leis­tungs­star­ken Tele­sko­pen in die fer­ne Ver­gan­gen­heit. Das Licht die­ses „kos­mi­schen Kräf­te­mes­sens“ hat über 11 Mil­li­ar­den Jah­re gebraucht, um uns zu errei­chen. Daher beob­ach­ten wir es so, wie es aus­sah, als das Uni­ver­sum nur 18 % sei­nes heu­ti­gen Alters hatte.

 künstlerische Darstellung
Die­se künst­le­ri­sche Dar­stel­lung zeigt eine galak­ti­sche Ver­schmel­zung, bei der die Gala­xie auf der rech­ten Sei­te einen Qua­sar in ihrem Kern beher­bergt. Die­ser Qua­sar wird von einem super­mas­si­ven schwar­zen Loch ange­trie­ben, das Mate­ri­al um sich her­um ver­schlingt und einen star­ken Strah­lungs­ke­gel aus­sen­det, der die ande­re Gala­xie wie eine Lan­ze durch­bohrt. – Cre­dit: ESO/M. Kornmesser

Hier sehen wir zum ers­ten Mal die Aus­wir­kun­gen der Strah­lung eines Qua­sars direkt auf die inne­re Struk­tur des Gases in einer ansons­ten nor­ma­len Gala­xie“, erklärt Ser­gei Balas­hev, Co-Lei­ter der Stu­die und For­scher am Iof­fe-Insti­tut in St. Peters­burg, Russ­land. Die neu­en Beob­ach­tun­gen deu­ten dar­auf hin, dass die vom Qua­sar abge­ge­be­ne Strah­lung die Gas- und Staub­wol­ken in der nor­ma­len Gala­xie zer­stört und nur die kleins­ten, dich­tes­ten Regio­nen zurück­lässt. Die­se Regio­nen sind wahr­schein­lich zu klein, um Stern­ent­ste­hung zu ermög­li­chen, sodass die geschä­dig­te Gala­xie wäh­rend ihrer dra­ma­ti­schen Wand­lung weni­ger Stern­ent­ste­hungs­ge­bie­te hat.

Aber nicht nur die­se getrof­fe­ne Gala­xie ver­än­dert sich. Balas­hev erklärt: „Man nimmt an, dass die­se Ver­schmel­zun­gen rie­si­ge Men­gen an Gas zu den super­mas­se­rei­chen Schwar­zen Löchern in den Gala­xien­zen­tren trans­por­tie­ren.“ In die­sem kos­mi­schen Duell gelan­gen neue Ener­gie­re­ser­ven in die Reich­wei­te des Schwar­zen Lochs, das den Qua­sar antreibt. Wäh­rend das Schwar­ze Loch wächst, kann der Qua­sar sei­ne schä­di­gen­de Kraft wei­ter entfalten.

Galaxienhaufen
Die­se Weit­win­kel­auf­nah­me zeigt die Him­mels­re­gi­on um ein Paar inter­agie­ren­der Gala­xien, die den Spitz­na­men „kos­mi­sches Tur­nier“ tra­gen, bei dem eine der bei­den Gala­xien die ande­re mit inten­si­ver Strah­lung durch­dringt. Die Gala­xien erschei­nen als win­zi­ger wei­ßer Punkt in der Mit­te des Bil­des. – Cre­dit: DESI Lega­cy Survey

Die­se Stu­die wur­de mit ALMA und dem X‑shooter-Instru­ment am VLT der ESO durch­ge­führt, die bei­de in der Ata­ca­ma-Wüs­te in Chi­le ste­hen. Dank der hohen Auf­lö­sung von ALMA konn­ten die Astro­no­men die bei­den ver­schmel­zen­den Gala­xien klar unter­schei­den, die so nah bei­ein­an­der lie­gen, dass sie bei frü­he­ren Beob­ach­tun­gen wie ein ein­zi­ges Objekt aus­sa­hen. Mit X‑shooter ana­ly­sier­ten die For­scher das Licht des Qua­sars, als es die nor­ma­le Gala­xie durch­quer­te. So konn­te das Team unter­su­chen, wie die­se Gala­xie in die­sem kos­mi­schen Wett­streit unter der Strah­lung des Qua­sars in Mit­lei­den­schaft gezo­gen wurde.

Beob­ach­tun­gen mit grö­ße­ren, leis­tungs­stär­ke­ren Tele­sko­pen könn­ten wei­te­re Erkennt­nis­se über sol­che Kol­li­sio­nen lie­fern. Wie Noter­dae­me sagt, wird ein Tele­skop wie das Extre­me­ly Lar­ge Telescope der ESO „uns sicher­lich ermög­li­chen, die­se und ande­re Sys­te­me genau­er zu unter­su­chen, um die Ent­wick­lung von Qua­sa­ren und ihre Aus­wir­kun­gen auf ihre Wirts­ga­la­xien und benach­bar­te Gala­xien bes­ser zu ver­ste­hen.

MN

Hintergrundinformationen

Die­se For­schungs­er­geb­nis­se wur­den in einem Arti­kel mit dem Titel „Qua­sar radia­ti­on trans­forms the gas in a mer­ging com­pa­n­ion gala­xy“ (Qua­sar­strah­lung trans­for­miert das Gas in einer ver­schmel­zen­den Begleit­ga­la­xie) in der Fach­zeit­schrift Natu­re ver­öf­fent­licht (doi: 10.1038/s41586-025–08966‑4).

Das Team besteht aus S. Balas­hev (Iof­fe-Insti­tut, St. Peters­burg, Russ­land), P. Noter­dae­me (Insti­tut d’As­tro­phy­si­que de Paris, Paris, Frank­reich [IAP] & Fran­zö­sisch-Chi­le­ni­sches Labor für Astro­no­mie [FCLA], Chi­le), N. Gupta (Inter­uni­ver­si­tä­res Zen­trum für Astro­no­mie, Pune, Indi­en [IUCAA]), J.K. Kro­ga­ger (Uni­ver­si­tät Lyon I, Lyon, Frank­reich & FCLA), F. Com­bes (Col­lè­ge de France, Paris, Frank­reich), S. López (Uni­ver­si­tät Chi­le [UCh­i­le]), P. Petit­jean (IAP), A. Omont (IAP), R. Sria­nand (IUCAA) und R. Cuellar (UCh­i­le).

Links

Link zur Pres­se­mit­tei­lung der ESO

Andreas

Andreas Schnabel war bis zum Ende der Astronomie-Zeitschrift "Abenteuer Astronomie" im Jahr 2018 als Kolumnist tätig und schrieb dort über die aktuell sichtbaren Kometen. Er ist Mitglied der "Vereinigung für Sternfreunde e.V.". Neben Astronomie, betreibt der Autor des Blogs auch Fotografie und zeigt diese Bilder u.a. auf Flickr.

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