Webb beobachtet Galaxie im lichtenden Nebel des frühen Universum

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Mit­hil­fe der ein­zig­ar­ti­gen Infra­rotem­pfind­lich­keit des James-Webb-Welt­raum­te­le­skops von NASA/ESA/CSA kön­nen For­scher alte Gala­xien unter­su­chen, um Geheim­nis­se des frü­hen Uni­ver­sums zu ergrün­den. Nun hat ein inter­na­tio­na­les Team von Astro­no­men zu einem uner­war­tet frü­hen Zeit­punkt in der Geschich­te des Uni­ver­sums hel­le Was­ser­stoff­emis­sio­nen einer Gala­xie iden­ti­fi­ziert. Der über­ra­schen­de Fund stellt die For­scher vor die Her­aus­for­de­rung zu erklä­ren, wie die­ses Licht den dich­ten Nebel aus neu­tra­lem Was­ser­stoff durch­drin­gen konn­te, der damals den Welt­raum erfüllte.

JADES-GS-z13-1
Die unglaub­lich weit ent­fern­te Gala­xie GS-z13‑1, die nur 330 Mil­lio­nen Jah­re nach dem Urknall beob­ach­tet wur­de, wur­de ursprüng­lich durch Tie­fen­auf­nah­men des James-Webb-Welt­raum­te­le­skops ent­deckt, das zahl­rei­che Vor­der­grund­ga­la­xien zeigt. – Cre­dit: ESA/Webb, NASA, STScI, CSA, JADES Col­la­bo­ra­ti­on, Brant Robert­son (UC San­ta Cruz), Ben John­son (CfA), San­dro Tac­chel­la (Cam­bridge), Phill Car­gi­le (CfA), J. Wit­s­tok, P. Jakobsen, A. Pagan (STScI), M. Zama­ni (ESA/Webb) 

Ein wich­ti­ges wis­sen­schaft­li­ches Ziel des James-Webb-Welt­raum­te­le­skops der NASA/ESA/CSA war es, wei­ter als je zuvor in die fer­ne Ver­gan­gen­heit unse­res Uni­ver­sums zu bli­cken, als sich die ers­ten Gala­xien nach dem Urknall bil­de­ten. Die­se Suche hat bereits rekord­ver­däch­ti­ge Gala­xien in Beob­ach­tungs­pro­gram­men wie dem JWST Advan­ced Deep Extra­ga­lac­tic Sur­vey (JADES) her­vor­ge­bracht. Die außer­ge­wöhn­li­che Emp­find­lich­keit von Webb für infra­rotes Licht eröff­net auch völ­lig neue Wege zur Erfor­schung der Fra­ge, wann und wie sich sol­che Gala­xien gebil­det haben und wel­che Aus­wir­kun­gen sie auf das Uni­ver­sum zu der Zeit hat­ten, die als kos­mi­sche Mor­gen­däm­me­rung bekannt ist. For­scher, die eine die­ser sehr frü­hen Gala­xien unter­su­chen, haben nun eine Ent­de­ckung im Spek­trum ihres Lichts gemacht, die unser bis­he­ri­ges Ver­ständ­nis der frü­hen Geschich­te des Uni­ver­sums in Fra­ge stellt.

Webb ent­deck­te die unglaub­lich weit ent­fern­te Gala­xie JADES-GS-z13‑1, die nur 330 Mil­lio­nen Jah­re nach dem Urknall beob­ach­tet wur­de, auf Bil­dern, die von Webbs NIR­Cam (Nahin­fra­rot­ka­me­ra) als Teil des JADES-Pro­gramms auf­ge­nom­men wur­den. Die For­scher nutz­ten die Hel­lig­keit der Gala­xie in ver­schie­de­nen Infra­rot­fil­tern, um ihre Rot­ver­schie­bung abzu­schät­zen. Die­se misst die Ent­fer­nung einer Gala­xie von der Erde anhand der Stre­ckung ihres Lichts wäh­rend ihrer Rei­se durch den expan­die­ren­den Weltraum.

Die NIR­Cam-Auf­nah­men erga­ben eine ers­te Rot­ver­schie­bungs­schät­zung von 12,9. Um die extre­me Rot­ver­schie­bung zu bestä­ti­gen, beob­ach­te­te ein inter­na­tio­na­les Team unter der Lei­tung von Jor­is Wit­s­tok von der Uni­ver­si­tät Cam­bridge (Groß­bri­tan­ni­en) sowie dem Cos­mic Dawn Cen­ter und der Uni­ver­si­tät Kopen­ha­gen (Däne­mark) die Gala­xie mit dem Nahin­fra­rot-Spek­tro­gra­phen (NIR­Spec) von Webb.

In dem dar­aus resul­tie­ren­den Spek­trum wur­de eine Rot­ver­schie­bung von 13,0 bestä­tigt. Dies ent­spricht einer Gala­xie, die nur 330 Mil­lio­nen Jah­re nach dem Urknall ent­stan­den ist, was nur einen Bruch­teil des der­zei­ti­gen Alters des Uni­ver­sums von 13,8 Mil­li­ar­den Jah­ren aus­macht. Aber es gab auch eine uner­war­te­te Beson­der­heit: eine bestimm­te, beson­ders hel­le Wel­len­län­ge des Lichts, die als Lyman-α-Emis­si­on von Was­ser­stoff­ato­men iden­ti­fi­ziert wur­de[1] und viel stär­ker war, als die Astro­no­men in die­sem frü­hen Sta­di­um der Ent­wick­lung des Uni­ver­sums für mög­lich hielten.

Spektrum GS-z13-1
Die­se Gra­fik zeigt das Licht der Gala­xie GS-z13‑1, das von NIR­Spec in sei­ne Kom­po­nen­ten im nahen Infra­rot­be­reich zer­legt wur­de. Bemer­kens­wert ist die hel­le Lyman-α-Emis­si­on der Gala­xie, die in den Infra­rot­be­reich ver­scho­ben wur­de. – Cre­dit: ESA/Webb, NASA, CSA, STScI, J. Olm­sted (STScI), S. Car­nia­ni (Scuo­la Nor­ma­le Supe­rio­re), P. Jakobsen

Das frü­he Uni­ver­sum war in einen dich­ten Nebel aus neu­tra­lem Was­ser­stoff gehüllt“ , erklär­te Rober­to Mai­o­li­no, ein Team­mit­glied der Uni­ver­si­ty of Cam­bridge und des Uni­ver­si­ty Col­lege Lon­don. „Der größ­te Teil die­ses Nebels lich­te­te sich in einem Pro­zess namens Reio­ni­sa­ti­on, der etwa eine Mil­li­ar­de Jah­re nach dem Urknall abge­schlos­sen war. GS-z13‑1 war sicht­bar, als das Uni­ver­sum erst 330 Mil­lio­nen Jah­re alt war, zeigt jedoch eine über­ra­schend kla­re, ver­rä­te­ri­sche Signa­tur der Lyman-α-Strah­lung, die erst sicht­bar wird, wenn sich der umge­ben­de Nebel voll­stän­dig auf­ge­löst hat. Die­ses Ergeb­nis war für Theo­rien zur frü­hen Gala­xien­ent­ste­hung völ­lig uner­war­tet und hat die Astro­no­men überrascht.“

Vor und wäh­rend der Epo­che der Reio­ni­sie­rung [2] blo­ckier­ten die immensen Men­gen an neu­tra­lem Was­ser­stoff­gas, der die Gala­xien umgab, jeg­li­ches ener­gie­rei­che ultra­vio­let­te Licht, das sie aus­sen­de­ten, ähn­lich der Fil­ter­wir­kung von far­bi­gem Glas. Bis sich genü­gend Ster­ne gebil­det hat­ten und das Was­ser­stoff­gas ioni­sie­ren konn­ten, konn­te kein Licht – ein­schließ­lich der Lyman-α-Strah­lung – aus die­sen jun­gen Gala­xien ent­wei­chen und die Erde errei­chen. Die Bestä­ti­gung der Lyman-α-Strah­lung aus die­ser Gala­xie hat daher gro­ße Aus­wir­kun­gen auf unser Ver­ständ­nis des frü­hen Uni­ver­sums. Team­mit­glied Kevin Hain­line von der Uni­ver­si­ty of Ari­zo­na in den USA sagt: „Ange­sichts unse­res Wis­sens über die Ent­wick­lung des Uni­ver­sums hät­ten wir eine sol­che Gala­xie eigent­lich nicht fin­den dür­fen. Man könn­te sich das frü­he Uni­ver­sum als von dich­tem Nebel umhüllt vor­stel­len, der es selbst star­ken Leucht­tür­men äußerst schwer machen wür­de, hin­durch­zu­schau­en. Doch hier sehen wir den Licht­strahl die­ser Gala­xie, der den Schlei­er durch­dringt. Die­se fas­zi­nie­ren­de Emis­si­ons­li­nie hat enor­me Aus­wir­kun­gen dar­auf, wie und wann das Uni­ver­sum reio­ni­siert hat.

Die Quel­le der Lyman-α-Strah­lung die­ser Gala­xie ist noch nicht bekannt, aber es könn­te sich um das ers­te Licht der frü­hes­ten Gene­ra­ti­on von Ster­nen han­deln, die im Uni­ver­sum ent­stan­den sind. Wit­s­tok führt wei­ter aus: „Die gro­ße Bla­se aus ioni­sier­tem Was­ser­stoff, die die­se Gala­xie umgibt, könn­te durch eine beson­de­re Popu­la­ti­on von Ster­nen ent­stan­den sein – viel mas­se­rei­cher, hei­ßer und leucht­kräf­ti­ger als Ster­ne, die in spä­te­ren Epo­chen ent­stan­den sind, und mög­li­cher­wei­se reprä­sen­ta­tiv für die ers­te Gene­ra­ti­on von Ster­nen.“ Eine wei­te­re Mög­lich­keit, die das Team iden­ti­fi­ziert hat, ist ein star­ker akti­ver galak­ti­scher Kern (AGN) [3], der von einem der ers­ten super­mas­se­rei­chen schwar­zen Löcher ange­trie­ben wird.

Die neu­en Ergeb­nis­se wären ohne die unglaub­li­che Nahin­fra­rotem­pfind­lich­keit von Webb nicht mög­lich gewe­sen, die nicht nur für die Ent­de­ckung so weit ent­fern­ter Gala­xien, son­dern auch für die detail­lier­te Unter­su­chung ihrer Spek­tren erfor­der­lich ist. Der ehe­ma­li­ge NIR­Spec-Pro­jekt­wis­sen­schaft­ler Peter Jakobsen vom Cos­mic Dawn Cen­ter und der Uni­ver­si­tät Kopen­ha­gen in Däne­mark erin­nert sich: „Nach dem Vor­bild des Hub­ble-Welt­raum­te­le­skops war klar, dass Webb immer wei­ter ent­fern­te Gala­xien ent­de­cken könn­te. Wie der Fall von GS-z13‑1 zeigt, blieb es jedoch stets eine Über­ra­schung, was es über die Natur der ent­ste­hen­den Ster­ne und Schwar­zen Löcher ver­ra­ten wür­de, die am Ran­de der kos­mi­schen Zeit entstehen.“

Das Team plant wei­te­re Fol­ge­be­ob­ach­tun­gen von GS-z13‑1 mit dem Ziel, mehr Infor­ma­tio­nen über die Natur die­ser Gala­xie und den Ursprung ihrer star­ken Lyman-α-Strah­lung zu erhal­ten. Was auch immer die Gala­xie ver­birgt, sie wird mit Sicher­heit eine neue Gren­ze in der Kos­mo­lo­gie beleuchten.

Die­se neue For­schungs­ar­beit wur­de aktu­ell in Natu­re ver­öf­fent­licht. Die Daten für die­ses Ergeb­nis wur­den im Rah­men von JADES unter den JWST-Pro­gram­men #1180 (PI: D. J. Eisen­stein), #1210, #1286 und #1287 (PI: N. Luetz­gen­dorf) und dem JADES Ori­gin Field-Pro­gramm #3215 (PIs: Eisen­stein und R. Mai­o­li­no) aufgenommen.

Endnoten

[1] Der Name kommt von der Tat­sa­che, dass ein Was­ser­stoff­atom Licht einer cha­rak­te­ris­ti­schen Wel­len­län­ge aus­sen­det, die als „Lyman-Alpha“-Strahlung bekannt ist. Die­se ent­steht, wenn sein Elek­tron von der zweit­nied­rigs­ten auf die nied­rigs­te Umlauf­bahn um den Kern (Ener­gie­ni­veau) fällt.

[2] Die Epo­che der Reio­ni­sa­ti­on war ein sehr frü­hes Sta­di­um in der Geschich­te des Uni­ver­sums, das nach der Rekom­bi­na­ti­on (dem ers­ten Sta­di­um nach dem Urknall) statt­fand. Wäh­rend der Rekom­bi­na­ti­on kühl­te das Uni­ver­sum so weit ab, dass Elek­tro­nen und Pro­to­nen began­nen, sich zu neu­tra­len Was­ser­stoff­ato­men zu ver­bin­den. Die Reio­ni­sie­rung begann, als sich dich­te­re Gas­wol­ken zu bil­den began­nen, wodurch Ster­ne und schließ­lich gan­ze Gala­xien ent­stan­den. Sie pro­du­zier­ten gro­ße Men­gen ultra­vio­let­ter Pho­to­nen, die das Was­ser­stoff­gas all­mäh­lich reio­ni­sier­ten. Da neu­tra­les Was­ser­stoff­gas für ener­gie­rei­ches ultra­vio­let­tes Licht undurch­läs­sig ist, kön­nen wir Gala­xien wäh­rend die­ser Epo­che nur bei län­ge­ren Wel­len­län­gen sehen, bis sie eine „Bla­se“ aus ioni­sier­tem Gas um sich her­um bil­den, sodass ihr ultra­vio­let­tes Licht durch die­se Bla­se ent­wei­chen und uns errei­chen kann.

[3] Ein akti­ver galak­ti­scher Kern ist eine Regi­on extrem star­ker Strah­lung im Zen­trum einer Gala­xie. Der Antrieb erfolgt durch eine Akkre­ti­ons­schei­be, die aus Mate­ri­al besteht, das ein zen­tra­les super­mas­se­rei­ches Schwar­zes Loch umkreist und in die­ses stürzt. Wäh­rend das Mate­ri­al um das Schwar­ze Loch kreist, stößt es zusam­men und erhitzt sich auf so extre­me Tem­pe­ra­tu­ren, dass es hoch­en­er­ge­ti­sche ultra­vio­let­te Strah­lung und sogar Rönt­gen­strah­len aus­sen­det, deren Hel­lig­keit mit der Hel­lig­keit der gesam­ten umge­ben­den Gala­xie kon­kur­rie­ren kann.

Hintergrundinformationen

Webb ist das größ­te und leis­tungs­stärks­te Tele­skop, das jemals ins All geschos­sen wur­de. Im Rah­men eines inter­na­tio­na­len Koope­ra­ti­ons­ab­kom­mens hat die ESA den Start des Tele­skops mit der Trä­ger­ra­ke­te Aria­ne 5 durch­ge­führt. In Zusam­men­ar­beit mit ihren Part­nern war die ESA für die Ent­wick­lung und Qua­li­fi­zie­rung der Aria­ne-5-Anpas­sun­gen für die Webb-Mis­si­on sowie für die Beschaf­fung des Start­ser­vices durch Aria­nespace ver­ant­wort­lich. Die ESA stell­te auch den Arbeits­spek­tro­gra­phen NIR­Spec und 50% des Instru­ments für das mitt­le­re Infra­rot (MIRI) zur Ver­fü­gung, das von einem Kon­sor­ti­um aus natio­nal finan­zier­ten euro­päi­schen Insti­tu­ten (dem MIRI Euro­pean Con­sor­ti­um) in Zusam­men­ar­beit mit dem JPL und der Uni­ver­si­tät von Ari­zo­na ent­wi­ckelt und gebaut wurde.

Webb ist eine inter­na­tio­na­le Part­ner­schaft zwi­schen der NASA, der ESA und der kana­di­schen Welt­raum­be­hör­de (CSA).

Bild­nach­weis: ESA/Webb, NASA, STScI, CSA, JADES Col­la­bo­ra­ti­on, Brant Robert­son (UC San­ta Cruz), Ben John­son (CfA), San­dro Tac­chel­la (Cam­bridge), Phill Car­gi­le (CfA), J. Wit­s­tok, P. Jakobsen, A. Pagan (STScI), M. Zama­ni (ESA/Webb)

Links

Link zur ESA-Pres­se­mit­tei­lung weic2505

Andreas

Andreas Schnabel war bis zum Ende der Astronomie-Zeitschrift "Abenteuer Astronomie" im Jahr 2018 als Kolumnist tätig und schrieb dort über die aktuell sichtbaren Kometen. Er ist Mitglied der "Vereinigung für Sternfreunde e.V.". Neben Astronomie, betreibt der Autor des Blogs auch Fotografie und zeigt diese Bilder u.a. auf Flickr.

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