Nahaufnahme eines supermassereichen Schwarzen Lochs in Messier 77

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Ein Team von Astro­nom­in­nen und Astro­no­men unter der Lei­tung von For­scher des Max-Planck-Insti­tuts für Astro­no­mie (MPIA) und der Uni­ver­si­ty of Ari­zo­na (UofA) hat mit dem Lar­ge Bino­cu­lar Telescope Inter­fe­ro­me­ter die Quel­len der Infra­rot­strah­lung in der Nähe des super­mas­se­rei­chen Schwar­zen Lochs im Zen­trum der Gala­xie NGC 1086, 47 Mil­lio­nen Licht­jah­re von der Erde ent­fernt, ermit­telt. Sie ent­deck­ten, dass der umge­ben­de staub­rei­che Wind durch die hei­ße zen­tra­le Akkre­ti­ons­schei­be und durch Stö­ße, die durch einen gebün­del­ten Gas­strom erzeugt wer­den, auf­ge­heizt wird. Die­se Erkennt­nis­se und wei­te­re Merk­ma­le stüt­zen das Stan­dard­mo­dell akti­ver galak­ti­scher Ker­ne, das ihre unter­schied­li­chen Erschei­nungs­for­men erklärt.

Messier 77
Ein Bild der Spi­ral­ga­la­xie NGC 1086 (Mes­sier 77), über­la­gert mit einem ein­ge­blen­de­ten Bild, das mit dem Lar­ge Bino­cu­lar Telescope Inter­fe­ro­me­ter (LBTI) bei ther­mi­schen Infra­rot­wel­len­län­gen (8,7 Mikro­me­ter) auf­ge­nom­men wur­de. Das Falsch­far­ben­bild zeigt die Hel­lig­keits­schwan­kun­gen des über­wie­gend war­men Staubs, der das super­mas­se­rei­che Schwar­ze Loch im Zen­trum die­ser Gala­xie umgibt. – © ESO / J. Isbell (UofA, MPIA) / MPIA

Akti­ve galak­ti­sche Ker­ne (AGN) sind super­mas­se­rei­che Schwar­ze Löcher im Zen­trum bestimm­ter Gala­xien. Wenn die­se Schwar­zen Löcher Mate­rie anzie­hen, bil­det sich eine schnell rotie­ren­de Schei­be aus hei­ßem Gas, das enor­me Ener­gie­men­gen frei­setzt, bevor es in das Schwar­ze Loch stürzt. Sol­che AGN gehö­ren zu den ener­gie­reichs­ten Phä­no­me­nen, die im Welt­raum beob­ach­tet wer­den. Dadurch beein­flus­sen sie auch Pro­zes­se in ihren Wirts­ga­la­xien. Die Details sind Gegen­stand lau­fen­der Forschung.

Ein Team um den ehe­ma­li­gen MPIA-Stu­den­ten Jacob Isbell, der jetzt Post­doc am Ste­ward Obser­va­to­ry der Uni­ver­si­ty of Ari­zo­na ist, rich­te­te das Lar­ge Bino­cu­lar Telescope (LBT) auf die Gala­xie NGC 1086, auch bekannt als Mes­sier 77, um die win­zi­gen Details in ihrem Zen­trum bei ther­mi­schen Infra­rot­wel­len­län­gen zu unter­su­chen. Die­se Gala­xie ist eine der nächst­ge­le­ge­nen mit einem AGN. Die Beob­ach­tun­gen hat­ten die pas­sen­de räum­li­che Auf­lö­sung, um sich auf die Kom­po­nen­ten zu kon­zen­trie­ren, die die­se Art von Strah­lung aus­sen­den. Die Ergeb­nis­se wur­den nun in Natu­re Astro­no­my veröffentlicht.

Aufschlüsselung der AGN-Komponenten

Die hel­le, hei­ße Schei­be, die das super­mas­se­rei­che Schwar­ze Loch umgibt, gibt viel Licht ab, das den Staub aus­ein­an­der­treibt, als wären die ein­zel­nen Kör­ner win­zi­ge Segel – ein Phä­no­men, das als Strah­lungs­druck bekannt ist. Die Bil­der zei­gen den glü­hen­den Staub, einen war­men, aus­strö­men­den Wind, der durch die­sen Effekt ver­ur­sacht und durch die hei­ße zen­tra­le Schei­be erhitzt wird.

Gleich­zei­tig befin­den sich wei­ter außen grö­ße­re Men­gen von Mate­ri­al, das viel hel­ler ist, als es bei allei­ni­ger Beleuch­tung durch die hel­le Akkre­ti­ons­schei­be hät­te sein dür­fen. Durch den Ver­gleich der neu­en Bil­der mit frü­he­ren Beob­ach­tun­gen bei ver­schie­de­nen Wel­len­län­gen brach­ten die For­scher die­se Ent­de­ckung mit einem gebün­del­ten Strom hei­ßen Gases in Ver­bin­dung, der vom Zen­trum der Schei­be aus­geht. Wäh­rend er durch die Gala­xie schießt, trifft er auf Wol­ken aus mole­ku­la­rem Gas und Staub und erhitzt die­se, was zu dem uner­war­tet hel­len Infra­rot­si­gnal führt. Sol­che soge­nann­ten Jets sind bei Radio­wel­len­län­gen beson­ders hell, wenn sie auf Gas und Par­ti­kel in der Umge­bung der super­mas­se­rei­chen Schwar­zen Löcher treffen.

Ins­ge­samt bestä­tigt das Ergeb­nis das ver­ein­heit­lich­te Stan­dard­mo­dell von akti­ven galak­ti­schen Ker­nen. Es geht von der Kon­fi­gu­ra­ti­on eines super­mas­si­ven Schwar­zen Lochs im Zen­trum einer Gala­xie aus, das Gas und Staub aus der umge­ben­den Wirts­ga­la­xie anzieht und sam­melt, wel­ches sich in einer inne­ren hel­len und hei­ßen Schei­be ansam­melt. Zusätz­lich erschwert eine äuße­re, grö­ße­re Struk­tur aus küh­le­rem, aus­strö­men­dem Mate­ri­al die Sicht. Schließ­lich wird ein inten­si­ver „Gas­jet“ aus dem Zen­trum aus­ge­sto­ßen. Je nach Betrach­tungs­win­kel sind dem Beob­ach­ter unter­schied­li­che Kom­po­nen­ten zuge­wandt. Obwohl die beob­ach­te­ten Merk­ma­le zwi­schen den Objek­ten erheb­lich vari­ie­ren, geht das ver­ein­heit­lich­te Modell davon aus, dass die­se Unter­schie­de auf ähn­li­che Kon­fi­gu­ra­tio­nen von Struk­tu­ren um das super­mas­se­rei­che Schwar­ze Loch zurück­zu­füh­ren sind, die das AGN-Phä­no­men befeuern.

LBT – ein Vorläufer zukünftiger segmentierter Spiegelteleskope

Das LBT befin­det sich auf dem Mount Gra­ham nord­öst­lich von Tuc­son, USA, und betreibt sei­ne bei­den 8,4‑Meter-Spiegel unab­hän­gig von­ein­an­der, sodass es im Wesent­li­chen wie zwei sepa­ra­te, neben­ein­an­der mon­tier­te und par­al­lel aus­ge­rich­te­te Tele­sko­pe funk­tio­niert. Das MPIA ist über die LBT-Betei­li­gungs­ge­sell­schaft, die 25 % der gesam­ten Betriebs­mit­tel bereit­stellt, Mit­glied der LBT Corporation.

Durch die Kom­bi­na­ti­on des Lichts bei­der Spie­gel wird das LBT zu einem bild­ge­ben­den Inter­fe­ro­me­ter (LBTI), das Beob­ach­tun­gen mit einer etwa drei­mal bes­se­ren Detail­schär­fe ermög­licht, als dies mit jedem Spie­gel allein mög­lich wäre. Um die­se hoch­auf­lö­sen­de Abbil­dungs­ma­schi­ne zu sta­bi­li­sie­ren, setzt das LBTI regel­mä­ßig das Vibra­ti­ons­kon­troll­sys­tem OVMS+ ein, das unter der Lei­tung von Jörg-Uwe Pott vom MPIA ent­wi­ckelt wur­de, um die­se anspruchs­vol­len Beob­ach­tun­gen ent­fern­ter Gala­xien zu ermög­li­chen. Die­se Bild­ge­bungs­tech­nik wur­de bereits erfolg­reich zur Unter­su­chung von Vul­ka­nen auf der Ober­flä­che des Jupi­ter­mon­des Io ein­ge­setzt. Die Ergeb­nis­se ermu­tig­ten die For­scher, das Inter­fe­ro­me­ter nun zur Unter­su­chung eines akti­ven galak­ti­schen Kerns einzusetzen.

Blick aus dem Dom des Lar­ge Bino­cu­lar Telescope (LBT) durch die geöff­ne­ten Kup­pel­to­re. – © Marc-André Besel & Wiphu Rujopakarn

„Der akti­ve galak­ti­sche Kern in der Gala­xie NGC 1068 ist beson­ders hell, sodass er die per­fek­te Gele­gen­heit bot, die­se Metho­de zu tes­ten“, sag­te Isbell. Es han­delt sich um die bis­her höchst­auf­lö­sen­den Direkt­auf­nah­men eines akti­ven galak­ti­schen Kerns.“ Direkt­auf­nah­men bedeu­tet in die­sem Zusam­men­hang, dass sie die gesam­te schwa­che und dif­fu­se Strah­lung der beob­ach­te­ten Struk­tu­ren abbil­den. Im Gegen­satz dazu wer­den Bil­der von ande­ren Inter­fe­ro­me­tern, wie dem Very Lar­ge Telescope Inter­fe­ro­me­ter (VLTI), aus Berech­nun­gen rekon­stru­iert, bei denen die feh­len­den Bild­in­for­ma­tio­nen inter­po­liert werden.

Durch die Kom­bi­na­ti­on bei­der Spie­gel ent­ste­hen Bil­der direkt auf dem Detek­tor, ähn­lich wie bei Tele­sko­pen mit seg­men­tier­ten Spie­geln, wie dem James Webb Space Telescope (JWST), dem zukünf­ti­gen 25 Meter Giant Magel­lan Telescope (GMT) und dem ent­ste­hen­den 39 Meter Extre­me­ly Lar­ge Telescope (ELT), die bei­de in Chi­le gebaut wer­den. Auf die­se Wei­se haben Isbell und sei­ne Mit­ar­bei­ter die ers­ten ELT-ähn­li­chen Bil­der eines akti­ven galak­ti­schen Kerns auf­ge­nom­men. Dadurch konn­ten sie ein­zel­ne Merk­ma­le von bis zu 20 Licht­jah­ren in einer Ent­fer­nung von 47 Mil­lio­nen Licht­jah­ren sicht­bar machen. Zuvor erschie­nen die ver­schie­de­nen Vor­gän­ge auf­grund der gerin­gen Auf­lö­sung mit­ein­an­der ver­schmol­zen. Jetzt ist es mög­lich, ihre indi­vi­du­el­len Ein­flüs­se zu beobachten.

Ein Test für zukünftige Beobachtungen

Die Stu­die zeigt, dass die Umge­bung von AGN kom­plex sein kann. Die neu­en Erkennt­nis­se hel­fen uns, die kom­pli­zier­ten Wech­sel­wir­kun­gen zwi­schen AGN und ihren Wirts­ga­la­xien zu ver­ste­hen. Bei der Unter­su­chung ent­fern­ter Gala­xien im frü­hen Uni­ver­sum, als die Gala­xien noch jung waren, kön­nen wir nicht den glei­chen Detail­grad erzie­len. Daher stel­len die­se Ergeb­nis­se ein loka­les Gegen­stück zu den Vor­gän­gen in fer­nen Gala­xien dar.

„Die­se Art der Bild­ge­bung kann bei jedem astro­no­mi­schen Objekt ein­ge­setzt wer­den“, so Isbell. “Wir haben bereits damit begon­nen, Schei­ben um Ster­ne und sehr gro­ße, ent­wi­ckel­te Ster­ne zu unter­su­chen, die von stau­bi­gen Hül­len umge­ben sind.“

Hintergrundinformationen

Das MPIA-Team, das an die­ser Stu­die betei­ligt war, bestand aus Jacob W. Isbell (jetzt Ste­ward Obser­va­to­ry, The Uni­ver­si­ty of Ari­zo­na, Tuc­son, USA) und Jörg-Uwe Pott.

Wei­te­re For­scher waren Ste­ve Ertel (Ste­ward Obser­va­to­ry und Lar­ge Bino­cu­lar Telescope Obser­va­to­ry, The Uni­ver­si­ty of Ari­zo­na, Tuc­son, USA), Gerd Wei­gelt (Max-Planck-Insti­tut für Radio­as­tro­no­mie, Bonn, Deutsch­land) und Mar­ko Stalev­ski (Astro­no­mic­al Obser­va­to­ry, Bel­grad, Ser­bi­en und Ster­ren­kun­dig Obser­va­to­ri­um, Uni­ver­si­teit Gent, Belgien).

Die­se Pres­se­mit­tei­lung basiert auf der von der Uni­ver­si­ty of Ari­zo­na ver­öf­fent­lich­ten Version.

MN

Link zur Pres­se­mit­tei­lung des MPIA

Andreas

Andreas Schnabel war bis zum Ende der Astronomie-Zeitschrift "Abenteuer Astronomie" im Jahr 2018 als Kolumnist tätig und schrieb dort über die aktuell sichtbaren Kometen. Er ist Mitglied der "Vereinigung für Sternfreunde e.V.". Neben Astronomie, betreibt der Autor des Blogs auch Fotografie und zeigt diese Bilder u.a. auf Flickr.

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