Galaxie mit der Masse der jungen Milchstraße entdeckt

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Das James-Webb-Welt­raum­te­le­skop der NASA/ESA/CSA hat zum ers­ten Mal eine Gala­xie ent­deckt und „gewo­gen“, die nicht nur rund 600 Mil­lio­nen Jah­re nach dem Urknall exis­tier­te, son­dern auch eine Mas­se hat, die der Mas­se unse­rer Milch­stra­ße im sel­ben Ent­wick­lungs­sta­di­um ähn­lich ist. Ande­re Gala­xien, die Webb zu die­sem Zeit­punkt in der Geschich­te des Uni­ver­sums ent­deckt hat, sind deut­lich mas­se­rei­cher. Die­se Gala­xie mit dem Spitz­na­men „Fire­fly Spark­le“ (Glüh­würm­chen-Gala­xie) glänzt mit ins­ge­samt 10 Stern­hau­fen, von denen die For­scher jeden ein­zel­nen sehr genau unter­sucht haben.

„Ich hät­te nicht gedacht, dass es mög­lich wäre, eine Gala­xie, die so früh im Uni­ver­sum exis­tier­te, in so vie­le ver­schie­de­ne Kom­po­nen­ten auf­zu­lö­sen, geschwei­ge denn her­aus­zu­fin­den, dass ihre Mas­se der unse­rer eige­nen Gala­xie ähnelt, als sie sich im Ent­ste­hungs­pro­zess befand“, sag­te Lami­ya Mow­la, Co-Haupt­au­to­rin des Arti­kels und Assis­tenz­pro­fes­so­rin am Wel­les­ley Col­lege in Mas­sa­chu­setts. „In die­ser win­zi­gen Gala­xie pas­siert so viel, dar­un­ter so vie­le ver­schie­de­ne Pha­sen der Sternentstehung.“

Firefly Sparkle
Posi­ti­on von „Fire­fly Spark­le“ am Rand des 8 Mil­li­ar­den Licht­jah­re ent­fern­ten Gala­xien­hau­fens MACS J1423 im Stern­bild Bären­hü­ter – Cre­dit: NASA, ESA, CSA, STScI, C. Wil­lott (NRC-Kana­da), L. Mow­la (Wel­les­ley Col­lege), K. Iyer (Colum­bia)

Webb war aus zwei Grün­den in der Lage, die Gala­xie in aus­rei­chen­der Detail­tie­fe abzu­bil­den. Der eine ist ein Vor­teil des Kos­mos: Ein mas­si­ver Gala­xien­hau­fen im Vor­der­grund ver­stärk­te das Erschei­nungs­bild der ent­fern­ten Gala­xie durch einen natür­li­chen Effekt, der als Gra­vi­ta­ti­ons­lin­se bekannt ist. Und in Kom­bi­na­ti­on mit der Spe­zia­li­sie­rung des Tele­skops auf hoch­auf­lö­sen­de Abbil­dung von Infra­rot­licht lie­fer­te Webb bei­spiel­lo­se neue Daten über den Inhalt der Galaxie.

„Ohne den Vor­teil die­ser Gra­vi­ta­ti­ons­lin­se wären wir nicht in der Lage, die­se Gala­xie auf­zu­lö­sen“, sag­te Kart­heik Iyer, Co-Haupt­au­tor und NASA Hub­ble Fel­low an der Colum­bia Uni­ver­si­ty in New York. „Auf­grund der aktu­el­len Phy­sik wuss­ten wir, dass wir es erwar­ten wür­den, aber es ist über­ra­schend, dass wir es tat­säch­lich gese­hen haben.“

Mow­la, der die Gala­xie auf Webbs Bild ent­deck­te, fühl­te sich von ihren leuch­ten­den Stern­hau­fen ange­zo­gen, da fun­keln­de Objek­te nor­ma­ler­wei­se dar­auf hin­deu­ten, dass sie extrem klum­pig und kom­pli­ziert sind. Da die Gala­xie wie ein Schwarm von Glüh­würm­chen in einer war­men Som­mer­nacht aus­sieht, nann­ten sie sie Fire­fly Spark­le Galaxie.

Rekonstruktion des Aussehens der Galaxie

Das For­schungs­team model­lier­te, wie die Gala­xie aus­ge­se­hen hät­te, wenn ihr Bild nicht durch Gra­vi­ta­ti­ons­lin­sen gestreckt wor­den wäre, und ent­deck­te, dass sie einem läng­li­chen Regen­trop­fen ähnel­te. Dar­in hän­gen oben zwei und unten acht Stern­hau­fen. „Unse­re Rekon­struk­ti­on zeigt, dass Klum­pen von sich aktiv bil­den­den Ster­nen von dif­fu­sem Licht ande­rer, nicht auf­ge­lös­ter Ster­ne umge­ben sind“, sag­te Iyer. „Die­se Gala­xie ist buch­stäb­lich dabei, sich zusammenzusetzen.“

Webbs Daten zei­gen, dass die Fire­fly-Spark­le-Gala­xie eher klei­ner ist und in die Kate­go­rie einer Gala­xie mit gerin­ger Mas­se fällt. Es wer­den Mil­li­ar­den von Jah­ren ver­ge­hen, bis sie ihr vol­les Gewicht und eine aus­ge­präg­te Form erreicht hat. „Die meis­ten ande­ren Gala­xien, die Webb uns gezeigt hat, sind weder ver­grö­ßert noch gestreckt, und wir sind nicht in der Lage, ihre ‚Bau­stei­ne‘ ein­zeln zu sehen.“ „Mit Fire­fly Spark­le erle­ben wir, wie eine Gala­xie Stein für Stein zusam­men­ge­setzt wird“, sag­te Mowla.

Gestreckt und leuchtend, bereit für eine genaue Analyse

Da das Bild der Gala­xie zu einem lan­gen Bogen ver­zerrt ist, konn­ten die For­scher leicht 10 ver­schie­de­ne Stern­hau­fen aus­ma­chen, die den Groß­teil des Lichts der Gala­xie aus­sen­den. Sie sind hier in Rosa‑, Lila- und Blau­tö­nen dar­ge­stellt. Die­se Far­ben in den Webb-Bil­dern und den zuge­hö­ri­gen Spek­tren bestä­ti­gen, dass die Stern­ent­ste­hung in die­ser Gala­xie nicht auf ein­mal, son­dern zeit­lich gestaf­felt erfolgte.

„Die­se Gala­xie ver­fügt über eine viel­fäl­ti­ge Popu­la­ti­on von Stern­hau­fen, und es ist bemer­kens­wert, dass wir sie in einem so frü­hen Alter des Uni­ver­sums getrennt sehen kön­nen“, sag­te Chris Wil­lott vom Natio­nal Rese­arch Coun­cil Cana­da, Mit­au­tor und Lei­ter des Beob­ach­tungs­pro­gramms. „Jeder Stern­hau­fen durch­läuft eine ande­re Pha­se der Ent­ste­hung oder Entwicklung.“

Die pro­ji­zier­te Form der Gala­xie zeigt, dass sich die Ster­ne nicht zu einer zen­tra­len Aus­buch­tung oder einer dün­nen, abge­flach­ten Schei­be zusam­men­ge­ballt haben – ein wei­te­res Indiz dafür, dass sich die Gala­xie noch in der Ent­ste­hung befindet.

„Glühende“ Begleiter

Die For­scher kön­nen nicht vor­her­sa­gen, wie sich die­se unge­ord­ne­te Gala­xie im Lau­fe von Mil­li­ar­den von Jah­ren auf­bau­en und for­men wird, aber es gibt zwei Gala­xien, von denen das Team bestä­tig­te, dass sie in einem engen Umkreis „her­um­hän­gen“ und mög­li­cher­wei­se beein­flus­sen, wie die Gala­xie im Lau­fe von Mil­li­ar­den von Jah­ren an Mas­se gewinnt. Fire­fly Spark­le ist nur 6.500 Licht­jah­re von sei­nem ers­ten Beglei­ter ent­fernt und sein zwei­ter Beglei­ter ist 42.000 Licht­jah­re von­ein­an­der ent­fernt. Zum Ver­gleich: Die voll­stän­dig aus­ge­bil­de­te Milch­stra­ße hat einen Durch­mes­ser von etwa 100.000 Licht­jah­ren – alle drei wür­den in sie hin­ein­pas­sen. Die Beglei­ter ste­hen sich nicht nur sehr nahe, die For­scher gehen auch davon aus, dass sie ein­an­der umkreisen.

Jedes Mal, wenn eine Gala­xie an einer ande­ren vor­bei­zieht, kon­den­siert und kühlt sich das Gas ab, sodass sich neue Ster­ne in Klum­pen bil­den kön­nen, die die Mas­se der Gala­xien ver­grö­ßern. „Es wur­de schon lan­ge vor­her­ge­sagt, dass Gala­xien im frü­hen Uni­ver­sum durch auf­ein­an­der­fol­gen­de Wech­sel­wir­kun­gen und Ver­schmel­zun­gen mit ande­ren klei­ne­ren Gala­xien ent­ste­hen“, sag­te Yoshi­hi­sa Asa­da, Co-Autor und Dok­to­rand an der Uni­ver­si­tät Kyo­to in Japan. „Wir könn­ten die­sen Pro­zess in Akti­on erle­ben .“

„Dies ist nur die ers­te von vie­len Gala­xien die­ser Art, die das JWST ent­de­cken wird, da wir gera­de erst damit begin­nen, die­se kos­mi­schen Mikro­sko­pe zu nut­zen“, füg­te Team­mit­glied Maruša Bra­dač von der Uni­ver­si­tät Ljublja­na in Slo­we­ni­en hin­zu. „So wie wir mit Mikro­sko­pen Pol­len­kör­ner von Pflan­zen sehen kön­nen, kön­nen wir mit der unglaub­li­chen Auf­lö­sung von Webb und der Ver­grö­ße­rungs­kraft der Gra­vi­ta­ti­ons­lin­se die klei­nen Tei­le im Inne­ren von Gala­xien sehen. Unser Team ana­ly­siert jetzt alle frü­hen Gala­xien, und die Ergeb­nis­se wei­sen alle in die­sel­be Rich­tung: Wir müs­sen noch viel mehr dar­über erfah­ren, wie sich die­se frü­hen Gala­xien gebil­det haben.“

Die For­schung des Teams stütz­te sich auf Daten des CAna­di­an NIRISS Unbi­a­sed Clus­ter Sur­vey von Webb, die Nahin­fra­rot­bil­der der NIR­Cam (Near-InfraRed Came­ra) und Spek­tren des Mik­ro­shut­ter-Arrays an Bord des NIR­Spec (Near-Infrared Spec­tro­graph) umfas­sen. Die CANUCS-Daten deck­ten absicht­lich ein Feld ab, das vom Hub­ble-Welt­raum­te­le­skop der NASA im Rah­men des Pro­gramms Clus­ter Len­sing And Super­no­va Sur­vey with Hub­ble auf­ge­nom­men wurde.

Die­se Arbeit wur­de am 12. Dezem­ber 2024 in der Zeit­schrift Natu­re veröffentlicht.

Hintergrundinformationen

Webb ist das größ­te und leis­tungs­stärks­te Tele­skop, das je ins All geschos­sen wur­de. Im Rah­men eines inter­na­tio­na­len Koope­ra­ti­ons­ab­kom­mens hat die ESA den Start des Tele­skops mit der Trä­ger­ra­ke­te Aria­ne 5 durch­ge­führt. In Zusam­men­ar­beit mit ihren Part­nern war die ESA für die Ent­wick­lung und Qua­li­fi­zie­rung der Aria­ne-5-Anpas­sun­gen für die Webb-Mis­si­on sowie für die Beschaf­fung des Start­ser­vices durch Aria­nespace ver­ant­wort­lich. Die ESA stell­te auch den Arbeits­spek­tro­gra­phen NIR­Spec und 50 % des Instru­ments für das mitt­le­re Infra­rot (MIRI) zur Ver­fü­gung, das von einem Kon­sor­ti­um aus natio­nal finan­zier­ten euro­päi­schen Insti­tu­ten (dem MIRI Euro­pean Con­sor­ti­um) in Zusam­men­ar­beit mit dem JPL und der Uni­ver­si­tät von Ari­zo­na ent­wi­ckelt und gebaut wurde.

Webb ist eine inter­na­tio­na­le Part­ner­schaft zwi­schen der NASA, der ESA und der kana­di­schen Welt­raum­be­hör­de (CSA).

Bild­quel­le: NASA, ESA, CSA, STScI, C. Wil­lott (NRC-Kana­da), L. Mow­la (Wel­les­ley Col­lege), K. Iyer (Colum­bia)

Links

Link zur ESA-Pres­se­mit­tei­lung weic2429

Andreas

Andreas Schnabel war bis zum Ende der Astronomie-Zeitschrift "Abenteuer Astronomie" im Jahr 2018 als Kolumnist tätig und schrieb dort über die aktuell sichtbaren Kometen. Er ist Mitglied der "Vereinigung für Sternfreunde e.V.". Neben Astronomie, betreibt der Autor des Blogs auch Fotografie und zeigt diese Bilder u.a. auf Flickr.

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