Webb findet Unterschiede im ewigen Morgen- und Abendhimmel einer fernen Welt

  • Letz­te Ände­rung:2 Mona­ten 
  • Lese­zeit:6Minu­ten
  • Wör­ter:1434
  • Bei­trags­auf­ru­fe:239

Eine For­schungs­grup­pe, der auch Astronom*innen des Max-Planck-Insti­tuts für Astro­no­mie (MPIA) ange­hö­ren, hat nun bestä­tigt, was Model­le bereits vor­her­ge­sagt haben: dass ein Exo­pla­net Unter­schie­de zwi­schen sei­ner Mor­gen- und Abend­at­mo­sphä­re auf­weist, die sich in unter­schied­li­chen Tem­pe­ra­tu­ren und Wol­ken­be­de­ckun­gen äußern. Die Ergeb­nis­se fol­gen aus Infra­rot­be­ob­ach­tun­gen des Gas­rie­sen­pla­ne­ten WASP-39 b mit dem Welt­raum­te­le­skop James Webb (JWST). Der Pla­net befin­det sich in einer gebun­de­nen Rota­ti­on zu sei­nem Mut­ter­stern, was zu fort­wäh­ren­den Tag- und Nacht­sei­ten führt. Eine Hälf­te des Pla­ne­ten ist immer sei­nem Stern zuge­wandt, wäh­rend die ande­re in Dun­kel­heit gehüllt ist.

WASP-39 b
Künst­le­ri­sche Dar­stel­lung des Exo­pla­net WASP-39 b © Bild: NASA, ESA, CSA, J. Olm­sted (STScI)

Mit Hil­fe von JWSTs NIR­Spec (Near-Infrared Spec­tro­graph) bestä­tig­ten die Astro­nom­in­nen und Astro­no­men einen Tem­pe­ra­tur­un­ter­schied zwi­schen den Mor­gen- und den Abend­zo­nen, wobei der Abend um etwa 200 Grad Cel­si­us hei­ßer zu sein scheint. Sie fan­den auch Hin­wei­se dar­auf, dass der Mor­gen stär­ker bewölkt als der Abend sein könnte.

„Zum ers­ten Mal ist es gelun­gen, ein direk­tes Abend- und Mor­gen­spek­trum eines Exo­pla­ne­ten getrennt zu mes­sen“, sagt Maria Stein­rück, Astro­no­min an der Uni­ver­si­tät Chi­ca­go (USA), die wäh­rend ihrer Tätig­keit am Max-Planck-Insti­tut für Astro­no­mie (MPIA) in Hei­del­berg (Deutsch­land) an der Unter­su­chung mit­wirk­te. Sie ist auch Mit­au­torin des zugrun­de lie­gen­den Arti­kels in Natu­re. „Die­se Metho­de kann beim Ver­ständ­nis des Kli­mas von Exo­pla­ne­ten sehr hilf­reich sein.“

Die Abwei­chung der Signa­le, die das Tele­skop aus bei­den Regio­nen emp­fing, ist win­zig. Mög­lich ist die Tren­nung die­ser Unter­schie­de nur auf­grund der Emp­find­lich­keit von JWST und NIR­Spec im nahen Infra­rot­be­reich und der extrem sta­bi­len Sen­so­ren des Instru­ments. „Jede noch so klei­ne Bewe­gung im Instru­ment oder mit dem Tele­skop wäh­rend der Daten­er­fas­sung hät­te die Fähig­keit zu die­ser Ent­de­ckung stark ein­ge­schränkt. Sie muss außer­or­dent­lich prä­zi­se sein, und Webb bie­tet genau das“, sagt Nés­tor Espi­no­za, Exo­pla­ne­ten­for­scher am Space Telescope Sci­ence Insti­tu­te (STScI) und der Johns Hop­kins Uni­ver­si­ty in Bal­ti­more, USA, und Haupt­au­tor der Studie.

Frühere Ergebnisse konnten nicht zwischen Morgen und Abend unterscheiden

Zuvor ver­öf­fent­lich­te Daten der Atmo­sphä­re von WASP-39b, die mit dem JWST gewon­nen wur­den, zeig­ten Anzei­chen von Koh­len­di­oxid, Schwe­fel­di­oxid, Was­ser­dampf und Natri­um ent­lang der gesam­ten Tag-Nacht-Gren­ze. Eine genaue Unter­schei­dung zwi­schen der einen und der ande­ren Sei­te wur­de nicht ver­sucht. Die Fähig­keit, eine so reich­hal­ti­ge che­mi­sche Zusam­men­set­zung zu erken­nen, war bereits für sich genom­men bahnbrechend.

Lichtkurve
Eine Licht­kur­ve von JWSTs NIR­Spec (Near-Infrared Spec­tro­graph) zeigt die Hel­lig­keits­än­de­rung des Wirts­stern von WASP-39 b © Bild: NASA, ESA, CSA, R. Craw­ford (STScI)

Damals ana­ly­sier­ten die Astro­no­men das zwei bis fünf Mikro­me­ter rei­chen­de Trans­mis­si­ons­spek­trum von WASP-39 b. Mit die­ser Tech­nik wird der soge­nann­te Ter­mi­na­tor des Exo­pla­ne­ten unter­sucht, die Gren­ze, die die Tag- und Nacht­sei­ten des Pla­ne­ten von­ein­an­der tren­nen. Bei den Beob­ach­tun­gen wird ein Trans­mis­si­ons­spek­trum erstellt, indem das Ster­nen­licht, das durch die Atmo­sphä­re des Pla­ne­ten gefil­tert wird, wäh­rend er sich vor dem Stern bewegt, mit dem unge­fil­ter­ten Ster­nen­licht ver­gli­chen wird, das gemes­sen wird, wenn sich der Pla­net neben dem Stern befin­det. Durch die­sen Ver­gleich erhal­ten die For­schen­den Infor­ma­tio­nen über die Tem­pe­ra­tur, die Zusam­men­set­zung und ande­re Eigen­schaf­ten der Atmo­sphä­re des Pla­ne­ten. Die auf­ge­bläh­te Atmo­sphä­re von WASP-39 b trägt dazu bei, dass das Ster­nen­licht effi­zi­ent mit Ato­men und Mole­kü­len wech­sel­wirkt, wodurch ein ziem­lich star­kes, gefil­ter­tes Signal entsteht.

Neue Analyse findet leichte Unterschiede zwischen Morgen- und Abendhimmel

Die Aus­wer­tung der neu­en Daten geht nun einen Schritt wei­ter und lie­fert zwei unter­schied­li­che Spek­tren aus der Grenz­re­gi­on, wodurch die Tag-Nacht-Gren­ze im Wesent­li­chen in zwei Halb­krei­se auf­ge­teilt wird, einen für den Abend und einen für den Mor­gen. Aus den Daten geht her­vor, dass der Abend mit 800 Grad Cel­si­us deut­lich hei­ßer und der Mor­gen mit 600 Grad Cel­si­us rela­tiv küh­ler ist.

„Es gab bereits ähn­li­che Ver­su­che, die mor­gend­li­chen und abend­li­chen Über­gangs­zo­nen mit boden­ge­bun­de­nen Tele­sko­pen zu beob­ach­ten. Stö­run­gen durch die Erd­at­mo­sphä­re machen jedoch einen Groß­teil der spek­tra­len Infor­ma­tio­nen zunich­te“, erklärt Steinrück.

Eine umfang­rei­che Daten­mo­del­lie­rung ermög­lich­te es den For­schern auch, die Zusam­men­set­zung der Atmo­sphä­re von WASP-39 b und ihre Wol­ken­be­de­ckung zu unter­su­chen, und gibt Hin­wei­se dar­auf, war­um der Abend hei­ßer ist. Wäh­rend das Team in Zukunft unter­su­chen wird, wie sich die Wol­ken­be­de­ckung auf die Tem­pe­ra­tur aus­wirkt und umge­kehrt, bestä­tig­ten die Astro­nom­in­nen und Astro­no­men die Gas­zir­ku­la­ti­on um den Pla­ne­ten als Haupt­ur­sa­che für die Tem­pe­ra­tur­un­ter­schie­de auf WASP-39 b.

Starke Winde könnten die Schwankungen erklären

Bei einem stark bestrahl­ten Exo­pla­ne­ten wie WASP-39 b, der rela­tiv nahe um sei­nen Stern kreist, erwar­ten die For­scher im All­ge­mei­nen, dass sich das Gas bewegt, wenn der Pla­net um sei­nen Stern kreist: Hei­ße­res Gas von der Tag­sei­te soll­te sich über einen star­ken äqua­to­ria­len Jet­stream durch den Abend zur Nacht­sei­te bewe­gen. Da der Tem­pe­ra­tur­un­ter­schied so extrem ist, wäre auch der Luft­druck­un­ter­schied erheb­lich, was wie­der­um hohe Wind­ge­schwin­dig­kei­ten ver­ur­sa­chen würde.

Transmissionsspektrum
Das Trans­mis­si­ons­spek­trum zeigt die Antei­le ver­schie­de­ner Wel­len­län­gen des Ster­nen­lichts im nahen Infra­rot, die von der Atmo­sphä­re des hei­ßen Gas­rie­sen WASP-39 b blo­ckiert wer­den. Das Spek­trum zeigt deut­li­che Hin­wei­se auf Was­ser, Koh­len­di­oxid und Tem­pe­ra­tur­schwan­kun­gen zwi­schen Mor­gen und Abend auf dem Exo­pla­ne­ten. © Bild: NASA, ESA, CSA, R. Craw­ford (STScI)

Mit Hil­fe von gene­ra­li­sier­ten Strö­mungs­mo­del­len (Gene­ral Cir­cu­la­ti­on Models), drei­di­men­sio­na­len Model­len ähn­lich denen, die zur Vor­her­sa­ge des Wet­ters auf der Erde ver­wen­det wer­den, fand das Team tat­säch­lich her­aus, dass sich die vor­herr­schen­den Win­de auf WASP-39 b von der Nacht­sei­te über den Mor­gen­ter­mi­na­tor, um die Tag­sei­te, über den Abend­ter­mi­na­tor und dann erneut um die Nacht­sei­te bewe­gen. „Die neu­en Ergeb­nis­se sind von ent­schei­den­der Bedeu­tung für die Ver­fei­ne­rung unse­rer Com­pu­ter­mo­del­le von Exo­pla­ne­ten­at­mo­sphä­ren“, erklärt Stein­rück, die das Team zur Berech­nung der Kli­ma­mo­del­le lei­te­te und die Modell­spek­tren für die Inter­pre­ta­ti­on der Beob­ach­tun­gen erstellte.

„Die­ses Ergeb­nis ist ein gro­ßer Schritt zur Mes­sung der voll­stän­di­gen drei­di­men­sio­na­len Struk­tur eines Exo­pla­ne­ten“, sagt Lau­ra Kreid­berg, Direk­to­rin der Abtei­lung für Atmo­sphä­ren­phy­sik von Exo­pla­ne­ten (APEx) am MPIA, Stein­rücks frü­he­rer Arbeits­stät­te. „Com­pu­ter­si­mu­la­tio­nen von Maria Stein­rück waren ent­schei­dend für die Erstel­lung eines phy­si­ka­li­schen Ver­ständ­nis­ses der kom­ple­xen Daten. Ihre Arbeit hat gezeigt, dass der Unter­schied zwi­schen Mor­gen und Abend auf dem Pla­ne­ten durch hef­ti­ge Win­de erklärt wer­den kann, die hei­ße Luft von der Tag­sei­te zur Nacht­sei­te zir­ku­lie­ren las­sen und Wol­ken von der Nacht­sei­te zur Tag­sei­te bla­sen. Mit Geschwin­dig­kei­ten von rund 10 000 Kilo­me­tern pro Stun­de oder mehr sind die­se Win­de vier­mal schnel­ler als die auf Nep­tun, dem win­digs­ten Pla­ne­ten in unse­rem Son­nen­sys­tem“, fügt Kreid­berg hin­zu, die auch Mit­au­torin des Arti­kels ist.

„Die­se Ana­ly­se ist auch des­halb beson­ders inter­es­sant, weil man 3D-Infor­ma­tio­nen über den Pla­ne­ten erhält, die man vor­her nicht bekom­men hat“, fügt Espi­no­za hin­zu. „Da wir nun wis­sen, dass der abend­li­che Bereich hei­ßer ist, bedeu­tet das, dass er ein wenig stär­ker auf­ge­bläht ist. Theo­re­tisch gibt es also eine klei­ne Wöl­bung am Ter­mi­na­tor, die sich der Nacht­sei­te des Pla­ne­ten nähert.“

Im Rah­men des JWST Cycle 2 Gene­ral Obser­vers Pro­gram 3969 wol­len die For­schen­den die glei­che Ana­ly­se­me­tho­de anwen­den, um atmo­sphä­ri­sche Unter­schie­de bei ande­ren hei­ßen Jupi­tern in gebun­de­ner Rota­ti­on zu untersuchen.

Hintergrundinformationen

Die an die­ser Stu­die betei­lig­ten MPIA-Wissenschaftler*innen sind Maria Stein­rück (jetzt Uni­ver­si­ty of Chi­ca­go, USA; 51 Pega­si b Fel­low), Lau­ra Kreid­berg, Dun­can Chris­tie, Eva-Maria Ahrer (eben­falls Uni­ver­si­ty of War­wick, Coven­try, Groß­bri­tan­ni­en), und David Häge­le (eben­falls Uni­ver­si­tät Hei­del­berg, Deutschland).

Wei­te­re Betei­lig­te sind Nés­tor Espi­no­za (Space Telescope Sci­ence Insti­tu­te und Johns Hop­kins Uni­ver­si­ty, Bal­ti­more, USA), Ryan Mac­Do­nald (Uni­ver­si­ty of Michi­gan, Ann Arbor, USA), James Kirk (Impe­ri­al Col­lege Lon­don, Lon­don und Uni­ver­si­ty of War­wick, Coven­try, Groß­bri­tan­ni­en), sowie Arjun Savel, Ken­neth Arnold und Eli­za Kemp­ton (alle Uni­ver­si­ty of Mary­land, Col­lege Park, USA).

NIR­Spec gehört zum Bei­trag der Euro­päi­schen Welt­raum­or­ga­ni­sa­ti­on (ESA) zur Webb-Mis­si­on und wur­de von einem Kon­sor­ti­um euro­päi­scher Unter­neh­men unter Füh­rung von Air­bus Defence and Space (ADS) gebaut. Das God­dard Space Flight Cent­re der NASA lie­fer­te zwei Teil­sys­te­me (Detek­to­ren und Mikro­ver­schlüs­se). Das MPIA war für die Beschaf­fung der elek­tri­schen Kom­po­nen­ten der NIR­Spec-Git­ter­rä­der verantwortlich.

Das JWST ist das welt­weit füh­ren­de Obser­va­to­ri­um für Welt­raum­for­schung. Es ist ein inter­na­tio­na­les Pro­gramm, das von der NASA gemein­sam mit ihren Part­nern, der ESA (Euro­päi­sche Welt­raum­or­ga­ni­sa­ti­on) und der CSA (Kana­di­sche Welt­raum­or­ga­ni­sa­ti­on), betrie­ben wird.

WASP-39 b war eines der ers­ten Zie­le, die JWST beob­ach­te­te, als es im Jahr 2022 den regu­lä­ren Wis­sen­schafts­be­trieb auf­nahm. Die Daten die­ser Stu­die wur­den im Rah­men des Ear­ly-Release-Wis­sen­schafts­pro­gramms 1366 gesam­melt, das den Wis­sen­schaft­lern hel­fen soll, den Umgang mit den Instru­men­ten des Tele­skops schnell zu erler­nen und sein vol­les wis­sen­schaft­li­ches Poten­zi­al auszuschöpfen.

Die­se Pres­se­mit­tei­lung basiert auf der von STScI/NASA ver­öf­fent­lich­ten Ver­si­on (Autorin: Han­nah Braun).

MN

Link zur MPIA-Pres­se­mit­tei­lung

Andreas

Andreas Schnabel war bis zum Ende der Astronomie-Zeitschrift "Abenteuer Astronomie" im Jahr 2018 als Kolumnist tätig und schrieb dort über die aktuell sichtbaren Kometen. Er ist Mitglied der "Vereinigung für Sternfreunde e.V.". Neben Astronomie, betreibt der Autor des Blogs auch Fotografie und zeigt diese Bilder u.a. auf Flickr.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert