Zweifel an galaktischer Kollision zwischen Andromeda und der Milchstraße

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Die Daten des NASA/E­SA-Welt­raum­te­le­skops Hub­ble aus mehr als einem Jahr­zehnt wur­den genutzt, um die seit lan­gem gel­ten­de Vor­her­sa­ge zu über­prü­fen, dass die Milch­stra­ße in etwa 4,5 Mil­li­ar­den Jah­ren mit der Andro­me­da­ga­la­xie kol­li­die­ren wird. Die Astro­no­men kamen zu dem Ergeb­nis, dass auf der Grund­la­ge der neu­es­ten Beob­ach­tungs­da­ten von Hub­ble und dem Welt­raum­te­le­skop Gaia die Wahr­schein­lich­keit, dass die bei­den Gala­xien inner­halb der nächs­ten 10 Mil­li­ar­den Jah­re kol­li­die­ren, nur 50% beträgt. Die Stu­die ergab auch, dass die Gro­ße Magel­lan­sche Wol­ke die Flug­bahn der Milch­stra­ße beein­flus­sen und die Wahr­schein­lich­keit einer Kol­li­si­on ver­rin­gern kann. Die For­scher beto­nen, dass die Vor­her­sa­ge der lang­fris­ti­gen Zukunft von Gala­xien­in­ter­ak­tio­nen höchst unsi­cher ist, aber die neu­en Ergeb­nis­se stel­len den bis­he­ri­gen Kon­sens in Fra­ge und legen nahe, dass das Schick­sal der Milch­stra­ße eine offe­ne Fra­ge bleibt.

galaktische Kollision
Die Aus­wahl an Bil­dern von Gala­xien ver­an­schau­licht drei Begeg­nungs­sze­na­ri­en zwi­schen unse­rer Milch­stra­ße und der benach­bar­ten Andro­me­da­ga­la­xie. Die lin­ke obe­re Tafel zeigt M81 und M82 als Bei­spiel für die Begeg­nung von Milch­stra­ße und Andro­me­da in gro­ßer Ent­fer­nung. Das Bild oben rechts zeigt NGC 6786, ein Paar wech­sel­wir­ken­der Gala­xien. Das unte­re Feld zeigt NGC 520, die mit einer ande­ren Gala­xie ver­schmol­zen ist. – Cre­dit: NASA, ESA, STScI, Till Sawa­la (Uni­ver­si­ty of Hel­sin­ki), DSS, J. DePas­qua­le (STScI)

Bereits 1912 erkann­ten Astro­no­men, dass sich die Andro­me­da­ga­la­xie – die damals nur für einen Nebel gehal­ten wur­de – in unse­re Rich­tung beweg­te. Ein Jahr­hun­dert spä­ter konn­ten Astro­no­men mit dem Hub­ble-Welt­raum­te­le­skop die Seit­wärts­be­we­gung der Andro­me­da­ga­la­xie mes­sen und kamen zu dem Ergeb­nis, dass sie so gering ist, dass ein mög­li­cher Zusam­men­stoß mit der Milch­stra­ße fast sicher erschien. Ein Zusam­men­stoß unse­rer Gala­xie mit der Andro­me­da-Gala­xie wür­de einen Feu­er­sturm aus Stern­ent­ste­hun­gen und Super­no­vas aus­lö­sen und unse­re Son­ne mög­li­cher­wei­se in eine ande­re Umlauf­bahn brin­gen. Simu­la­tio­nen hat­ten dies als unver­meid­lich angedeutet.

Eine neue Stu­die, die Daten von Hub­ble und der ESA-Son­de Gaia ver­wen­det, legt jedoch nahe, dass dies nicht unbe­dingt der Fall sein muss. For­scher, die die Beob­ach­tun­gen der bei­den Welt­raum­ob­ser­va­to­ri­en kom­bi­nier­ten, über­prüf­ten die seit lan­gem gel­ten­de Vor­her­sa­ge einer Kol­li­si­on zwi­schen Milch­stra­ße und Andro­me­da und kamen zu dem Ergeb­nis, dass die­se weit weni­ger unver­meid­lich ist, als die Astro­no­men bis­her ange­nom­men hatten.

„Wir ver­fü­gen heu­te über die umfas­sends­te Stu­die zu die­sem Pro­blem, die tat­säch­lich alle Beob­ach­tungs­un­si­cher­hei­ten berück­sich­tigt“, sag­te Till Sawa­la, Astro­nom an der Uni­ver­si­tät Hel­sin­ki in Finn­land und Haupt­au­tor der Stu­die, die ges­tern in der Zeit­schrift Natu­re Astro­no­my erschien.

Zu sei­nem Team gehö­ren For­scher der Uni­ver­si­tät Dur­ham (Ver­ei­nig­tes König­reich), der Uni­ver­si­tät Tou­lou­se (Frank­reich) und der Uni­ver­si­ty of Wes­tern Aus­tra­lia. Sie kamen zu dem Ergeb­nis, dass die Wahr­schein­lich­keit, dass die bei­den Gala­xien inner­halb der nächs­ten 10 Mil­li­ar­den Jah­re zusam­men­sto­ßen, etwa 50:50 beträgt. Die­se Schluss­fol­ge­rung stüt­zen sie auf Com­pu­ter­si­mu­la­tio­nen unter Ver­wen­dung der neu­es­ten Beobachtungsdaten.

Sawa­la beton­te, dass die Vor­her­sa­ge der lang­fris­ti­gen Zukunft von Gala­xien­in­ter­ak­tio­nen höchst unsi­cher ist, aber die neu­en Ergeb­nis­se stel­len den bis­he­ri­gen Kon­sens in Fra­ge und legen nahe, dass das Schick­sal der Milch­stra­ße eine offe­ne Fra­ge bleibt.

„Selbst mit den neu­es­ten und prä­zi­ses­ten ver­füg­ba­ren Beob­ach­tungs­da­ten ist die Zukunft der aus meh­re­ren Dut­zend Gala­xien bestehen­den Loka­len Grup­pe unge­wiss. Inter­es­san­ter­wei­se fin­den wir eine fast glei­che Wahr­schein­lich­keit für das weit ver­brei­te­te Fusi­ons­sze­na­rio oder umge­kehrt ein alter­na­ti­ves Sze­na­rio, bei dem die Milch­stra­ße und Andro­me­da unbe­scha­det über­le­ben“, so Sawala.

Die Kol­li­si­on der bei­den Gala­xien schien 2012 viel wahr­schein­li­cher zu sein, als die Astro­no­men Roe­l­and van der Marel und Tony Sohn vom Space Telescope Sci­ence Insti­tu­te in Bal­ti­more, Mary­land, eine detail­lier­te Ana­ly­se der Hub­ble-Beob­ach­tun­gen über einen Zeit­raum von fünf bis sie­ben Jah­ren ver­öf­fent­lich­ten, die auf einen direk­ten Zusam­men­stoß in nicht mehr als fünf Mil­li­ar­den Jah­ren hindeutete.

„Es ist schon iro­nisch, dass wir uns trotz der prä­zi­se­ren Hub­ble-Daten der letz­ten Jah­re über den Aus­gang einer mög­li­chen Kol­li­si­on weni­ger sicher sind. Das liegt an der kom­ple­xe­ren Ana­ly­se und dar­an, dass wir ein voll­stän­di­ge­res Sys­tem betrach­ten. Doch nur mit noch bes­se­ren Daten kön­nen wir das Schick­sal der Milch­stra­ße bes­ser vor­her­sa­gen“, sag­te Sawala.

Die Astro­no­men berück­sich­tig­ten 22 ver­schie­de­ne Varia­blen, die eine mög­li­che Kol­li­si­on zwi­schen unse­rer Gala­xie und unse­rer Nach­bar­ga­la­xie beein­flus­sen könn­ten, und führ­ten 100.000 Simu­la­tio­nen, soge­nann­te Mon­te-Car­lo-Simu­la­tio­nen, durch , die sich über einen Zeit­raum von 10 Mil­li­ar­den Jah­ren in die Zukunft erstreckten. 

„Da es so vie­le Varia­blen gibt, von denen jede ihre Feh­ler hat, sum­miert sich dies zu einer ziem­lich gro­ßen Unsi­cher­heit über den Aus­gang, was zu dem Schluss führt, dass die Wahr­schein­lich­keit einer direk­ten Kol­li­si­on inner­halb der nächs­ten 10 Mil­li­ar­den Jah­re nur 50 Pro­zent beträgt“. „Allein die Milch­stra­ße und Andro­me­da wür­den auf ihrer Umlauf­bahn in der glei­chen Ebe­ne blei­ben, aber das bedeu­tet nicht, dass sie zusam­men­sto­ßen müs­sen. Sie könn­ten immer noch anein­an­der vor­bei­zie­hen“, so Sawala.

Die For­scher berück­sich­tig­ten auch die Aus­wir­kun­gen der Umlauf­bah­nen der gro­ßen Satel­li­ten­ga­la­xie von Andro­me­da, M33, und einer Satel­li­ten­ga­la­xie der Milch­stra­ße, der Gro­ßen Magel­lan­schen Wol­ke (LMC).

„Die zusätz­li­che Mas­se von Andro­me­das Satel­li­ten­ga­la­xie M33 zieht die Milch­stra­ße etwas stär­ker in ihre Rich­tung. Wir zei­gen jedoch auch, dass die Gro­ße Magel­lan­sche Wol­ke die Milch­stra­ße aus der Umlauf­bahn und von Andro­me­da weg zieht. Das bedeu­tet nicht, dass die Gro­ße Magel­lan­sche Wol­ke uns vor die­ser Ver­schmel­zung bewah­ren wird, aber es macht sie etwas unwahr­schein­li­cher“, sag­te Sawala. 

In etwa der Hälf­te der Simu­la­tio­nen flie­gen die bei­den Haupt­ga­la­xien in einem Abstand von etwa einer hal­ben Mil­li­on Licht­jah­ren oder weni­ger (fünf­mal der Durch­mes­ser der Milch­stra­ße) anein­an­der vor­bei. Sie bewe­gen sich nach außen, keh­ren dann aber zurück und ver­schmel­zen schließ­lich in fer­ner Zukunft. Der all­mäh­li­che Zer­fall der Umlauf­bahn wird durch einen Pro­zess ver­ur­sacht, der als dyna­mi­sche Rei­bung zwi­schen den rie­si­gen Halos aus dunk­ler Mate­rie bezeich­net wird, die jede Gala­xie zu Beginn umge­ben. In den meis­ten ande­ren Fäl­len kom­men sich die Gala­xien nicht ein­mal so nahe, dass die dyna­mi­sche Rei­bung wirk­sam wer­den könn­te. In die­sem Fall kön­nen die bei­den Gala­xien ihren Orbi­tal­wal­zer noch sehr lan­ge fortsetzen.

Das neue Ergeb­nis lässt auch noch eine klei­ne Chan­ce von etwa 2 % für einen Fron­tal­zu­sam­men­stoß zwi­schen den Gala­xien in nur 4 bis 5 Mil­li­ar­den Jah­ren. Wenn man bedenkt, dass die Erde durch die Erwär­mung der Son­ne in etwa 1 Mil­li­ar­de Jah­ren unbe­wohn­bar wird und die Son­ne selbst wahr­schein­lich in 5 Mil­li­ar­den Jah­ren aus­brennt, ist eine Kol­li­si­on mit Andro­me­da die gerings­te unse­rer kos­mi­schen Sorgen. 

Hintergrundinformationen

Das Hub­ble-Welt­raum­te­le­skop ist ein inter­na­tio­na­les Koope­ra­ti­ons­pro­jekt zwi­schen ESA und NASA.

Bild­quel­le: NASA, ESA, STScI, Till Sawa­la (Uni­ver­si­tät Hel­sin­ki), DSS, J. DePas­qua­le (STScI)

Links

Link zur ESA-Pres­se­mit­tei­lung heic2508

Andreas

Andreas Schnabel war bis zum Ende der Astronomie-Zeitschrift "Abenteuer Astronomie" im Jahr 2018 als Kolumnist tätig und schrieb dort über die aktuell sichtbaren Kometen. Er ist Mitglied der "Vereinigung für Sternfreunde e.V.". Neben Astronomie, betreibt der Autor des Blogs auch Fotografie und zeigt diese Bilder u.a. auf Flickr.

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