Webb enthüllt die wahre Natur des kosmischen Tornados

  • Letz­te Ände­rung:5 Tagen 
  • Lese­zeit:4Minu­ten
  • Wör­ter:920
  • Bei­trags­auf­ru­fe:120

Das James-Webb-Welt­raum­te­le­skop der NASA/ESA/CSA hat eine wun­der­schö­ne Gegen­über­stel­lung des nahe­ge­le­ge­nen pro­tostel­la­ren Objekts Herbig-Haro 49/50 mit einer per­fekt posi­tio­nier­ten, wei­ter ent­fern­ten Spi­ral­ga­la­xie ein­ge­fan­gen. Auf­grund der Nähe die­ses Herbig-Haro-Objekts zur Erde ermög­licht die­ses neue zusam­men­ge­setz­te Infra­rot­bild des Aus­flus­ses eines jun­gen Sterns For­schern, Details auf klei­nen räum­li­chen Ska­len wie nie zuvor zu unter­su­chen. Mit Webb kön­nen wir bes­ser ver­ste­hen, wie die mit der Ent­ste­hung jun­ger Ster­ne ver­bun­de­ne Jet-Akti­vi­tät ihre Umge­bung beein­flus­sen kann.

HH 49/50
Herbig-Haro 49/50, dass vom JWST im hoch­auf­lö­sen­den Nah- und Mit­tel­in­fra­rot­licht auf­ge­nom­men wur­de. An der Spit­ze ist eine weit im Hin­ter­grund ent­fern­te, fron­tal zu sehen­den Spi­ral­ga­la­xie zu sehen. – Cre­dit: NASA, ESA, CSA, STScI

Die­ses neue zusam­men­ge­setz­te Bild kom­bi­niert Beob­ach­tun­gen von Webbs NIR­Cam (Near-Infrared Came­ra) und MIRI (Mid-Infrared Instru­ment), um hoch­auf­lö­sen­de Details die­ses über­aus inter­es­san­ten Objekts zu unter­su­chen. Herbig-Haro 49/50 befin­det sich etwa 630 Licht­jah­re von der Erde ent­fernt im Stern­bild Chamaeleon. 

Herbig-Haro-Objek­te sind Aus­strö­mun­gen, die von Jets erzeugt wer­den, die von einem nahen, sich bil­den­den Stern aus­ge­hen. Die Aus­strö­mun­gen, die sich über Licht­jah­re erstre­cken kön­nen, pral­len auf eine dich­te­re Regi­on von Mate­ri­al. Dabei ent­ste­hen Schock­wel­len, die das Mate­ri­al auf höhe­re Tem­pe­ra­tu­ren auf­hei­zen. Das Mate­ri­al kühlt dann ab, indem es Licht im sicht­ba­ren und infra­ro­ten Bereich aussendet.

Als das Spit­zer-Welt­raum­te­le­skop der NASA das Objekt im Jahr 2006 beob­ach­te­te, gaben die Wis­sen­schaft­ler Herbig-Haro 49/50 (HH 49/50) wegen sei­nes spi­ral­för­mi­gen Aus­se­hens den Spitz­na­men „Kos­mi­scher Tor­na­do“, waren sich aber über die Natur des unschar­fen Objekts an der Spit­ze des „Tor­na­dos“ nicht im Kla­ren. Mit sei­ner höhe­ren Bild­auf­lö­sung ver­mit­telt Webb einen ande­ren visu­el­len Ein­druck von HH 49/50, indem es die fei­nen Merk­ma­le der geschock­ten Regio­nen im Aus­fluss ent­hüllt, das unschar­fe Objekt als eine weit ent­fern­te Spi­ral­ga­la­xie ent­larvt und ein Meer von weit ent­fern­ten Hin­ter­grund­ga­la­xien zeigt.

HH 49/50 befin­det sich im Mole­kül­wol­ken­kom­plex Cha­mä­le­on I, einer der nächst­ge­le­ge­nen akti­ven Stern­ent­ste­hungs­re­gio­nen unse­rer Milch­stra­ße, in der zahl­rei­che son­nen­ähn­li­che Ster­ne mit gerin­ger Mas­se ent­ste­hen. Die­ser Wol­ken­kom­plex ähnelt wahr­schein­lich der Umge­bung, in der auch unse­re Son­ne ent­stand. Frü­he­re Beob­ach­tun­gen die­ser Regi­on zei­gen, dass sich der Aus­fluss von HH 49/50 mit Geschwin­dig­kei­ten von 100 bis 300 Kilo­me­tern pro Sekun­de von uns weg­be­wegt und nur ein Merk­mal eines grö­ße­ren Aus­flus­ses ist. Die NIR­Cam- und MIRI-Beob­ach­tun­gen von HH 49/50 durch Webb zei­gen, wo sich leuch­ten­de Was­ser­stoff­mo­le­kü­le, Koh­len­mon­oxid­mo­le­kü­le und ener­gie­rei­che Staub­kör­ner (oran­ge und rot) befin­den, wäh­rend der pro­tostel­la­re Jet in die Regi­on ein­dringt. Die Beob­ach­tun­gen von Webb zei­gen Details auf klei­nen räum­li­chen Ska­len, die den Astro­no­men hel­fen wer­den, die Eigen­schaf­ten des Jets zu model­lie­ren und zu ver­ste­hen, wie er das umge­ben­de Mate­ri­al beeinflusst.

Die bogen­för­mi­gen Merk­ma­le in HH 49/50, die einem Kiel­was­ser ähneln, das von einem Schnell­boot erzeugt wird, wei­sen auf die Quel­le die­ses Aus­flus­ses hin. Auf­grund frü­he­rer Beob­ach­tun­gen ver­mu­ten die Wis­sen­schaft­ler, dass ein Pro­tos­tern mit der Bezeich­nung Ceder­blad 110 IRS4 ein plau­si­bler Aus­lö­ser für die Jet-Akti­vi­tät ist. CED 110 IRS4 befin­det sich etwa 1,5 Licht­jah­re von HH 49/50 ent­fernt (in der unte­ren rech­ten Ecke des Webb-Bil­des) und ist ein Pro­tos­tern der Klas­se I. Pro­tos­ter­ne der Klas­se I sind jun­ge Objek­te (Zehn­tau­sen­de bis eine Mil­li­on Jah­re alt), die sich in der Blü­te­zeit ihres Mas­se­zu­wach­ses befin­den. In der Regel sind sie von einer erkenn­ba­ren Schei­be aus Mate­ri­al umge­ben, das noch auf den Pro­tos­tern fällt. Wis­sen­schaft­ler haben kürz­lich die NIR­Cam- und MIRI-Beob­ach­tun­gen von Webb genutzt, um die­sen Pro­tos­tern zu unter­su­chen und eine Bestands­auf­nah­me der eisi­gen Zusam­men­set­zung sei­ner Umge­bung zu machen.

Mit die­sen detail­lier­ten Webb-Bil­dern der Bögen in HH 49/50 lässt sich die Rich­tung der Jet-Quel­le genau­er bestim­men, aber nicht jeder Bogen zeigt in die­sel­be Rich­tung zurück. Zum Bei­spiel gibt es eine inter­es­san­te Aus­buch­tung (oben rechts vom Haupt­aus­fluss), die eine wei­te­re zufäl­li­ge Über­la­ge­rung eines ande­ren Aus­flus­ses sein könn­te, die mit der lang­sa­men Prä­zes­si­on der inter­mit­tie­ren­den Jet­quel­le zusam­men­hängt. Alter­na­tiv könn­te die­se Erschei­nung auch das Ergeb­nis des Aus­ein­an­der­bre­chens des Haupt­aus­flus­ses sein.

Die Gala­xie, die zufäl­lig an der Spit­ze von HH 49/50 erscheint, ist eine viel wei­ter ent­fern­te, fron­tal sicht­ba­re Spi­ral­ga­la­xie. Sie hat einen auf­fäl­li­gen zen­tra­len Wulst, der in Blau dar­ge­stellt ist und die Lage älte­rer Ster­ne zeigt. Die Aus­buch­tung zeigt auch Anzei­chen von „Sei­ten­lap­pen“, die dar­auf hin­deu­ten, dass es sich um eine Bal­ken­spi­ral­ga­la­xie han­deln könn­te. Röt­li­che Klum­pen in den Spi­ral­ar­men zei­gen die Stand­or­te von war­mem Staub und Grup­pen von sich bil­den­den Ster­nen. Die Gala­xie weist in die­sen stau­bi­gen Regio­nen sogar eva­ku­ier­te Bla­sen auf, ähn­lich wie nahe gele­ge­ne Gala­xien, die von Webb im Rah­men des PHANGS-Pro­gramms beob­ach­tet wurden.

Webb hat die­se bei­den unab­hän­gi­gen Objek­te in einer zufäl­li­gen Kon­stel­la­ti­on ein­ge­fan­gen. Im Lau­fe von Jahr­tau­sen­den wird sich der Rand von HH 49/50 nach außen bewe­gen und schließ­lich die ent­fern­te Gala­xie verdecken.

Hintergrundinformationen

Webb ist das größ­te und leis­tungs­stärks­te Tele­skop, das jemals ins All gebracht wur­de. Im Rah­men einer inter­na­tio­na­len Koope­ra­ti­ons­ver­ein­ba­rung stell­te die ESA den Start des Tele­skops mit der Trä­ger­ra­ke­te Aria­ne 5 sicher. Gemein­sam mit Part­nern war die ESA für die Ent­wick­lung und Qua­li­fi­ka­ti­on der Aria­ne-5-Adap­tio­nen für die Webb-Mis­si­on sowie für die Beschaf­fung des Start­diens­tes durch Aria­nespace ver­ant­wort­lich. Die ESA stell­te außer­dem den leis­tungs­star­ken Spek­tro­gra­phen NIR­Spec und 50 % des Mit­tel­in­fra­rot-Instru­ments MIRI zur Ver­fü­gung, das von einem Kon­sor­ti­um natio­nal finan­zier­ter euro­päi­scher Insti­tu­te (dem MIRI Euro­pean Con­sor­ti­um) in Zusam­men­ar­beit mit dem JPL und der Uni­ver­si­ty of Ari­zo­na ent­wi­ckelt und gebaut wurde.

Webb ist eine inter­na­tio­na­le Part­ner­schaft zwi­schen NASA, ESA und der Cana­di­an Space Agen­cy (CSA).

Bild­nach­weis: NASA, ESA, CSA, STScI

Links

Link zur ESA-Pres­se­mit­tei­lung weic2506

Andreas

Andreas Schnabel war bis zum Ende der Astronomie-Zeitschrift "Abenteuer Astronomie" im Jahr 2018 als Kolumnist tätig und schrieb dort über die aktuell sichtbaren Kometen. Er ist Mitglied der "Vereinigung für Sternfreunde e.V.". Neben Astronomie, betreibt der Autor des Blogs auch Fotografie und zeigt diese Bilder u.a. auf Flickr.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert