Webb liefert Bild des kältesten und ältesten Exoplaneten

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Mit dem Welt­raum­te­le­skop James Webb (JWST) hat ein vom MPIA gelei­te­tes Astro­no­men­team einen neu­en Exo­pla­ne­ten abge­bil­det, der einen Stern im nahen Drei­fach­sys­tem Epsi­lon Indi umkreist. Der Pla­net ist ein kal­ter Super-Jupi­ter mit einer Tem­pe­ra­tur von etwa 0 Grad Cel­si­us und einer gro­ßen Umlauf­bahn, die mit der des Nep­tuns um die Son­ne ver­gleich­bar ist. Die­se Mes­sung zeigt, dass noch vie­le wei­te­re Pla­ne­ten zu fin­den sind, die in Bezug auf Mas­se, Tem­pe­ra­tur und Umlauf­bahn dem Jupi­ter ähn­lich sind. Durch die Erfor­schung sol­cher Pla­ne­ten wer­den wir unser Wis­sen über die Ent­ste­hung und zeit­li­che Ent­wick­lung von Gas­rie­sen erweitern.

Gasriese
Künst­le­ri­sche Dar­stel­lung eines kal­ten Gas­rie­sen, der einen Roten Zwerg umkreist © T. Mül­ler (MPIA/HdA)

„Wir waren auf­ge­regt, als wir das Bild die­ses neu­en Pla­ne­ten sahen“, sagt Eli­sa­beth Matthews, For­sche­rin am Max-Planck-Insti­tut für Astro­no­mie (MPIA) in Hei­del­berg. Sie ist die Haupt­au­to­rin des zugrun­de lie­gen­den For­schungs­ar­ti­kels in der Zeit­schrift Natu­re. „Zu unse­rer Über­ra­schung pass­te der hel­le Fleck, der auf unse­ren Bil­dern zu sehen war, nicht zu der Posi­ti­on, die wir für den Pla­ne­ten erwar­tet hat­ten“, fügt Matthews hin­zu. „Frü­he­re Stu­di­en hat­ten zwar einen Pla­ne­ten in die­sem Sys­tem kor­rekt iden­ti­fi­ziert, aber offen­bar die Mas­se und die Umlauf­bahn die­ses rie­si­gen Gas­pla­ne­ten grob unter­schätzt.“ Mit Hil­fe des JWST konn­te das Team die Ergeb­nis­se nun zurechtrücken.

Die­ser Nach­weis ist in mehr­fa­cher Hin­sicht unge­wöhn­lich. Es han­delt sich um den ers­ten Exo­pla­ne­ten, von dem das JWST ein Bild gemacht hat, das nicht bereits vom Boden aus auf­ge­nom­men wur­de, und er ist viel käl­ter als die Gas­pla­ne­ten, die das JWST bis­her unter­sucht hat. Ein „Bild“ heißt, dass der Pla­net auf den Auf­nah­men als leuch­ten­der Punkt erscheint und so einen direk­ten Nach­weis dar­stellt. Die Tran­sit- und Radi­al­ge­schwin­dig­keits­me­tho­den sind indi­rek­te Nach­wei­se, da sich der Pla­net dabei ledig­lich durch sei­ne mit­tel­ba­re Wir­kung verrät.

JWST-Beobachtungen aktualisieren frühere Messungen

Der Pla­net umkreist den Haupt­stern des nahen Drei­fach­sys­tems Epsi­lon Indi, kurz Eps Ind. Nach den Kon­ven­tio­nen der astro­no­mi­schen Namens­ge­bung wird der Haupt­stern, ein Roter Zwerg, der etwas klei­ner und küh­ler ist als die Son­ne, mit dem Kür­zel Eps Ind A bezeich­net. Um den Namen des Pla­ne­ten zu bil­den, wird ein „b“ ange­hängt, sodass sich die Bezeich­nung Eps Ind Ab ergibt.

Die neu­en JWST-Daten deu­ten auf einen Super-Jupi­ter hin, der sechs­mal so viel Mas­se hat wie Jupi­ter im Son­nen­sys­tem. Eps Ind Ab umkreist sei­nen Hei­mat­stern auf einer exzen­tri­schen, ellip­ti­schen Umlauf­bahn, deren größ­te Ent­fer­nung vom Zen­tral­stern zwi­schen 20 und 40 Astro­no­mi­schen Ein­hei­ten lie­gen soll­te. Eine Astro­no­mi­sche Ein­heit ist der mitt­le­re Abstand zwi­schen Erde und Son­ne, etwa 150 Mil­lio­nen Kilo­me­ter. Die neu­en Wer­te unter­schei­den sich erheb­lich von frü­he­ren Berech­nun­gen, wes­halb das Team die­sen Pla­ne­ten als „neu“ bezeichnet.

Coole Planeten, heiße Forschung

Bis­her sind nur weni­ge kal­te Gas­rie­sen­pla­ne­ten bekannt, die um Ster­ne krei­sen, die so alt sind wie die Son­ne. Eps Ind Ab ist einer davon. Die­se wur­den alle indi­rekt aus Radi­al­ge­schwin­dig­keits­mes­sun­gen abge­lei­tet. Durch Bild­auf­nah­men und Spek­tren der Pla­ne­ten kön­nen Astro­nom­in­nen und Astro­no­men ihre Atmo­sphä­ren unter­su­chen und die Ent­wick­lung von Pla­ne­ten­sys­te­men im Ver­gleich mit berech­ne­ten Model­len nach­voll­zie­hen. Die Unter­su­chung von Pla­ne­ten in alten und damit voll­stän­dig sta­bi­li­sier­ten Pla­ne­ten­sys­te­men hilft dabei, offe­ne Fra­gen zu den spä­ten Pha­sen der Pla­ne­ten­ent­wick­lung zu klä­ren und unser all­ge­mei­nes Ver­ständ­nis der Pla­ne­ten­bil­dung und ‑ent­wick­lung zu verbessern.

Die aktu­el­len Beob­ach­tun­gen ebnen somit den Weg zur Ent­de­ckung vie­ler wei­te­rer die­ser kal­ten Gas­rie­sen. Dadurch kön­nen Astro­nom­in­nen und Astro­no­men einen neu­en Typ von Exo­pla­ne­ten erfor­schen und mit den Gas­rie­sen des Son­nen­sys­tems vergleichen.

Wie man kalte Gasplaneten entdeckt

Aller­dings sind die­se Pla­ne­ten mit den klas­si­schen Nach­weis­me­tho­den nur schwer zu fin­den und klas­si­fi­zie­ren. Pla­ne­ten, die weit von ihrem Zen­tral­stern ent­fernt sind, sind in der Regel sehr kalt, im Gegen­satz zu den hei­ßen Jupi­tern, die ihre Ster­ne in einem Abstand von nur weni­gen Ster­nen­ra­di­en umkrei­sen. Es ist sehr unwahr­schein­lich, dass sich Pla­ne­ten auf wei­ten Umlauf­bah­nen auf einer Ebe­ne mit der Sicht­li­nie befin­den, um ein Tran­sit­si­gnal zu erzeu­gen. Dar­über hin­aus ist es schwie­rig, sie mit der Radi­al­ge­schwin­dig­keits­me­tho­de zu ver­mes­sen, wenn nur ein klei­ner Teil der Umlauf­bahn ver­folgt wer­den kann.

MIRI-Bild von Epsilon Indi Ab
Das Bild zeigt Aus­schnit­te der MIRI-Bil­der, die im mitt­le­ren Infra­rot­be­reich bei 10,65 (links) und 15,55 Mikro­me­tern (rechts) auf­ge­nom­men wur­den und den Bereich um den Stern Eps Ind A, mit dem neu ent­deck­ten Exo­pla­ne­ten Epsi­lon Indi Ab, zei­gen. © T. Mül­ler (MPIA/HdA), E. Matthews (MPIA)

Frü­he­re Stu­di­en ver­such­ten, anhand von Radi­al­ge­schwin­dig­keits­mes­sun­gen einen Rie­sen­pla­ne­ten zu erfor­schen, der Eps Ind A umkreist. Die Extra­po­la­ti­on eines klei­nen Teils der Umlauf­bahn führ­te jedoch zu fal­schen Rück­schlüs­sen auf die Eigen­schaf­ten des Pla­ne­ten. Immer­hin benö­tigt Eps Ind Ab für eine Umkrei­sung sei­nes Sterns etwa 200 Jah­re. Beob­ach­tun­gen über weni­ge Jah­re hin­weg rei­chen dann schlicht nicht aus, um die Bahn prä­zi­se zu bestimmen.

Des­halb wähl­te das Team um Matthews einen ande­ren Ansatz. Sie woll­ten den bekann­ten Pla­ne­ten mit einer Metho­de foto­gra­fie­ren, die all­ge­mein als direk­te Abbil­dung bekannt ist. Da die Zen­tral­ster­ne von Exo­pla­ne­ten extrem hell sind, über­strah­len sie jedes ande­re Objekt in ihrer Nähe. Her­kömm­li­che Kame­ras wären von dem blen­den­den Ster­nen­licht überfordert.

Daher setz­te das Team die MIRI-Kame­ra (Mid-Infrared Instru­ment) des JWST ein, die mit einem Koro­no­gra­fen aus­ge­stat­tet ist. Die­se licht­un­durch­läs­si­ge Mas­ke bedeckt den Stern wie eine künst­li­che Son­nen­fins­ter­nis. Ein wei­te­rer Vor­teil ist die gerin­ge Ent­fer­nung von Eps Ind zur Erde, die nur 12 Licht­jah­re beträgt. Je gerin­ger die Ent­fer­nung zum Stern ist, des­to grö­ßer ist der Abstand zwi­schen zwei Objek­ten in einem Bild, was die Wahr­schein­lich­keit erhöht, dass die Stö­rung durch den Zen­tral­stern ver­rin­gert wird. MIRI war die per­fek­te Wahl, da es im ther­mi­schen oder mitt­le­ren Infra­rot­be­reich beob­ach­tet, in dem kal­te Objek­te hell leuchten.

Was wissen wir über Eps Ind Ab?

„Wir haben in unse­ren Daten ein Signal ent­deckt, das nicht mit dem erwar­te­ten Exo­pla­ne­ten über­ein­stimm­te“, sagt Matthews. Der Licht­punkt im Bild befand sich nicht an der vor­aus­be­rech­ne­ten Stel­le. „Der Pla­net schien aber den­noch ein Rie­sen­pla­net zu sein“, ergänzt Matthews. Bevor die Astro­no­men jedoch eine sol­che Ein­schät­zung vor­neh­men konn­ten, muss­ten sie aus­schlie­ßen, dass das Signal von einer Hin­ter­grund­quel­le stamm­te, die nichts mit Eps Ind A zu tun hatte.

„Es ist immer schwer, Gewiss­heit zu erlan­gen, aber aus den Daten ging her­vor, dass es ziem­lich unwahr­schein­lich war, dass das Signal von einer extra­ga­lak­ti­schen Hin­ter­grund­quel­le stamm­te“, erklärt Lein­dert Boo­gaard, ein wei­te­rer Wis­sen­schaft­ler am MPIA und Mit­au­tor des For­schungs­ar­ti­kels. Tat­säch­lich stie­ßen sie beim Durch­su­chen astro­no­mi­scher Daten­ban­ken nach ande­ren Beob­ach­tun­gen von Eps Ind auf Bild­da­ten aus dem Jahr 2019, die mit der VISIR-Infra­rot­ka­me­ra am Very Lar­ge Telescope (VLT) der Euro­päi­schen Süd­stern­war­te (ESO) auf­ge­nom­men wur­den. Nach einer erneu­ten Ana­ly­se der Bil­der fand das Team ein schwa­ches Objekt genau an der Stel­le, an der es sich befin­den soll­te, wenn die mit dem JWST auf­ge­nom­me­ne Quel­le zum Stern Eps Ind A gehörte.

Die Wis­sen­schaft­ler ver­such­ten außer­dem, Eigen­schaf­ten der Atmo­sphä­re des Exo­pla­ne­ten anhand der ver­füg­ba­ren Bil­der aus drei ver­schie­de­nen Far­ben zu ermit­teln: zwei von JWST/MIRI und eines von VLT/VISIR. Eps Ind Ab ist bei kur­zen Wel­len­län­gen schwä­cher als erwar­tet. Dies könn­te auf erheb­li­che Men­gen schwe­rer Ele­men­te, ins­be­son­de­re Koh­len­stoff, hin­deu­ten, aus denen Mole­kü­le wie Methan, Koh­len­di­oxid und Koh­len­mon­oxid ent­ste­hen, die häu­fig in Gas­rie­sen­pla­ne­ten vor­kom­men. Alter­na­tiv lie­ße sich dar­aus schlie­ßen, dass der Pla­net eine von Wol­ken durch­zo­ge­ne Atmo­sphä­re hat. Um genaue­re Erkennt­nis­se zu gewin­nen, sind jedoch wei­te­re Unter­su­chun­gen erforderlich.

Pläne und Aussichten

Die­se Arbeit ist nur ein ers­ter Schritt zur Cha­rak­te­ri­sie­rung von Eps Ind Ab. „Unser nächs­tes Ziel ist es, Spek­tren zu gewin­nen, die uns einen detail­lier­ten Fin­ger­ab­druck der Kli­ma­to­lo­gie und der che­mi­schen Zusam­men­set­zung des Pla­ne­ten lie­fern“, sagt Tho­mas Hen­ning, eme­ri­tier­ter Direk­tor am MPIA, stell­ver­tre­ten­der wis­sen­schaft­li­cher Lei­ter des MIRI-Instru­ments und Mit­au­tor des zugrun­de lie­gen­den Artikels.

„Lang­fris­tig hof­fen wir, auch ande­re nahe­ge­le­ge­ne Pla­ne­ten­sys­te­me beob­ach­ten zu kön­nen, um nach kal­ten Gas­rie­sen zu suchen, die mög­li­cher­wei­se bis­lang nicht ent­deckt wur­den“, sagt Matthews. „Eine sol­che Unter­su­chung wür­de als Grund­la­ge für ein bes­se­res Ver­ständ­nis der Ent­ste­hung und Ent­wick­lung von Gas­pla­ne­ten dienen.“

Hintergrundinformationen

Sei­tens des MPIA waren an die­ser Stu­die Eli­sa­beth Matthews, Lein­dert Boo­gaard und Tho­mas Hen­ning beteiligt.

Wei­te­re For­sche­rin­nen und For­scher sind Aarynn Car­ter (Space Telescope Sci­ence Insti­tu­te, Bal­ti­more, USA), Caro­li­ne Mor­ley (Uni­ver­si­ty of Texas at Aus­tin, Aus­tin, USA) und Pras­hant Pat­hak (Indi­an Insti­tu­tes of Tech­no­lo­gy, Kan­pur, Indien).

Das MIRI-Kon­sor­ti­um besteht aus den ESA-Mit­glied­staa­ten Bel­gi­en, Däne­mark, Frank­reich, Deutsch­land, Irland, Nie­der­lan­de, Spa­ni­en, Schwe­den, Schweiz und Groß­bri­tan­ni­en. Die natio­na­len Wis­sen­schafts­or­ga­ni­sa­tio­nen finan­zie­ren die Arbeit des Kon­sor­ti­ums – in Deutsch­land die Max-Planck-Gesell­schaft (MPG) und das Deut­sche Zen­trum für Luft- und Raum­fahrt (DLR). Die teil­neh­men­den deut­schen Insti­tu­tio­nen sind das Max-Planck-Insti­tut für Astro­no­mie in Hei­del­berg, die Uni­ver­si­tät Köln und die Hen­soldt AG in Ober­ko­chen, ehe­mals Carl Zeiss Optronics.

Das JWST ist das welt­weit füh­ren­de Obser­va­to­ri­um für Welt­raum­for­schung. Es han­delt sich um ein inter­na­tio­na­les Pro­gramm, das von der NASA gemein­sam mit ihren Part­nern ESA (Euro­päi­sche Welt­raum­or­ga­ni­sa­ti­on) und CSA (Kana­di­sche Welt­raum­agen­tur) gelei­tet wird.

MN

Link zur MPIA-Pres­se­mit­tei­lung

Andreas

Andreas Schnabel war bis zum Ende der Astronomie-Zeitschrift "Abenteuer Astronomie" im Jahr 2018 als Kolumnist tätig und schrieb dort über die aktuell sichtbaren Kometen. Er ist Mitglied der "Vereinigung für Sternfreunde e.V.". Neben Astronomie, betreibt der Autor des Blogs auch Fotografie und zeigt diese Bilder u.a. auf Flickr.

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