Webb entdeckt Sternhaufen in einer jungen Galaxie

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Jun­ge Gala­xien im frü­hen Uni­ver­sum durch­lie­fen bedeu­ten­de Pha­sen der Stern­ent­ste­hung, die beträcht­li­che Men­gen an ioni­sie­ren­der Strah­lung erzeug­ten. Auf­grund ihrer kos­mo­lo­gi­schen Ent­fer­nun­gen haben sich direk­te Unter­su­chun­gen ihres Stern­ge­halts jedoch als schwie­rig erwie­sen. Mit Hil­fe des James-Webb-Welt­raum­te­le­skop der NASA/ESA/CSA hat ein inter­na­tio­na­les Team von Astro­no­men nun fünf jun­ge, mas­se­rei­che Stern­hau­fen im Cos­mic Gems-Bogen (SPT0615-JD1) ent­deckt, einer durch den Gra­vi­ta­ti­ons­lin­sen­ef­fekt stark ver­form­ten Gala­xie, die ihr Licht aus­strahl­te, als das Uni­ver­sum etwa 460 Mil­lio­nen Jah­re alt war und dabei 97% der kos­mi­schen Zeit zurück­blick­te. Dies ist die ers­te Ent­de­ckung von Stern­hau­fen in einer jun­gen Gala­xie weni­ger als 500 Mil­lio­nen Jah­re nach dem Urknall.

Der als Gra­vi­ta­ti­ons­lin­se wir­ken­de Gala­xien­hau­fen SPT-CL J0615−5746 – Cre­dit: ESA/Webb, NASA & CSA, L. Brad­ley (STScI), A. Ada­mo (Stock­holm Uni­ver­si­ty) and the Cos­mic Spring collaboration

Der Cos­mic Gems-Bogen wur­de ursprüng­lich in Bil­dern des Hub­ble-Welt­raum­te­le­skops der NASA/ESA ent­deckt, die im Rah­men des RELICS-Pro­gramms (Reio­niza­ti­on Len­sing Clus­ter Sur­vey) des gelins­ten Gala­xien­hau­fens SPT-CL J0615−5746 auf­ge­nom­men wurden. 

„Man nimmt an, dass die­se Gala­xien eine der Haupt­quel­len der inten­si­ven Strah­lung sind, die das frü­he Uni­ver­sum reio­ni­siert hat“, so die Erst­au­torin Ange­la Ada­mo von der Uni­ver­si­tät Stock­holm und dem Oskar-Klein-Zen­trum in Schwe­den. „Das Beson­de­re am Cos­mic Gems-Bogen ist, dass wir die Gala­xie dank der Gra­vi­ta­ti­ons­lin­se tat­säch­lich bis auf Par­sec-Ska­len auf­lö­sen können!“

Mit Webb kann das Wis­sen­schafts­team nun sehen, wo Ster­ne ent­ste­hen und wie sie ver­teilt sind, ähn­lich wie das Hub­ble-Welt­raum­te­le­skop zur Unter­su­chung loka­ler Gala­xien. Webbs Sicht bie­tet eine ein­zig­ar­ti­ge Gele­gen­heit, die Stern­ent­ste­hung und das Innen­le­ben jun­ger Gala­xien aus einer so bei­spiel­lo­sen Ent­fer­nung zu untersuchen.

„Webbs unglaub­li­che Emp­find­lich­keit und Win­kel­auf­lö­sung bei Wel­len­län­gen im nahen Infra­rot, kom­bi­niert mit der Gra­vi­ta­ti­ons­lin­sen­wir­kung des mas­si­ven Gala­xien­hau­fens im Vor­der­grund, ermög­lich­ten die­se Ent­de­ckung“, erklär­te Lar­ry Brad­ley vom Space Telescope Sci­ence Insti­tu­te und Lei­ter des Webb-Beob­ach­tungs­pro­gramms, das die­se Daten erfasst hat. „Kein ande­res Tele­skop hät­te die­se Ent­de­ckung machen können.“

SPT0615-JD1
Der Cos­mic Gems-Bogen (SPT0615-JD1) mit den neu ent­deck­ten Stern­hau­fen – Cre­dit: ESA/Webb, NASA & CSA, L. Brad­ley (STScI), A. Ada­mo (Stock­holm Uni­ver­si­ty) and the Cos­mic Spring collaboration

„Die Über­ra­schung und das Erstau­nen waren unglaub­lich, als wir Webbs Bil­der zum ers­ten Mal öff­ne­ten“, füg­te Ada­mo hin­zu. „Wir sahen eine klei­ne Ket­te hel­ler Punk­te, die sich von einer Sei­te zur ande­ren spie­gel­ten – die­se kos­mi­schen Edel­stei­ne sind Stern­hau­fen! Ohne Webb hät­ten wir nicht gewusst, dass wir Stern­hau­fen in einer so jun­gen Gala­xie vor uns haben!“ 

In unse­rer Milch­stra­ße sehen wir uralte Kugel­stern­hau­fen, die durch die Schwer­kraft gebun­den sind und Mil­li­ar­den von Jah­ren über­lebt haben. Es han­delt sich dabei um alte Relik­te inten­si­ver Stern­ent­ste­hung im frü­hen Uni­ver­sum, aber es ist nicht genau bekannt, wo und wann die­se Hau­fen ent­stan­den sind. Die Ent­de­ckung mas­se­rei­cher jun­ger Stern­hau­fen im Cos­mic Gems-Bogen bie­tet uns einen her­vor­ra­gen­den Ein­blick in die frü­hen Sta­di­en eines Pro­zes­ses, der zur Bil­dung von Kugel­stern­hau­fen füh­ren kann. Die neu ent­deck­ten Hau­fen im Bogen sind mas­siv, dicht und befin­den sich in einer sehr klei­nen Regi­on ihrer Gala­xie, tra­gen aber auch den größ­ten Teil des ultra­vio­let­ten Lichts ihrer Mut­ter­ga­la­xie bei. Die Hau­fen sind deut­lich dich­ter als nahe­ge­le­ge­ne Stern­hau­fen. Die­se Ent­de­ckung wird Wis­sen­schaft­lern hel­fen, bes­ser zu ver­ste­hen, wie jun­ge Gala­xien ihre Ster­ne bil­de­ten und wo Kugel­stern­hau­fen ent­stan­den sind.

Das Team stellt fest, dass die­se Ent­de­ckung eine Viel­zahl wis­sen­schaft­li­cher Berei­che mit­ein­an­der ver­bin­det. „Die­se Ergeb­nis­se lie­fern direk­te Bewei­se dafür, dass sich in licht­schwa­chen Gala­xien, wäh­rend der Ära der Reio­ni­sa­ti­on, Pro­to-Kugel­stern­hau­fen gebil­det haben, was zu unse­rem Ver­ständ­nis dar­über bei­trägt, wie es die­sen Gala­xien gelun­gen ist, das Uni­ver­sum zu reio­ni­sie­ren“, erklär­te Ada­mo. „Die­se Ent­de­ckung lie­fert auch wich­ti­ge Hin­wei­se auf die Ent­ste­hung von Kugel­stern­hau­fen und ihre ursprüng­li­chen Eigen­schaf­ten.“ Bei­spiels­wei­se lie­fern uns die hohen Stern­dich­ten in den Stern­hau­fen ers­te Hin­wei­se auf die Pro­zes­se, die in ihrem Inne­ren ablau­fen, und geben neue Ein­bli­cke in die mög­li­che Bil­dung sehr mas­se­rei­cher Ster­ne und Kei­me Schwar­zer Löcher, die bei­de für die Gala­xien­ent­wick­lung wich­tig sind.“

Für die Zukunft hofft das Team, eine Stich­pro­be von Gala­xien zu erstel­len, für die eine ähn­li­che Auf­lö­sung erreicht wer­den kann. „Ich bin zuver­sicht­lich, dass es im frü­hen Uni­ver­sum noch ande­re Sys­te­me wie die­ses dar­auf war­tet, ent­deckt zu wer­den, die es uns ermög­li­chen, unser Ver­ständ­nis der frü­hen Gala­xien zu ver­bes­sern“, sag­te Eros Van­zel­la vom INAF – Obser­va­to­ri­um für Astro­phy­sik und Welt­raum­wis­sen­schaf­ten in Bolo­gna (OAS), Ita­li­en, einer der Haupt­be­tei­lig­ten an die­ser Arbeit.

In der Zwi­schen­zeit berei­tet sich das Team auf wei­te­re Beob­ach­tun­gen und Spek­tro­sko­pie mit Webb vor. „Wir pla­nen, die­se Gala­xie in Zyklus 3 mit den Instru­men­ten NIR­Spec und MIRI von Webb zu unter­su­chen“, füg­te Brad­ley hin­zu. „Die NIR­Spec-Beob­ach­tun­gen wer­den es uns ermög­li­chen, die Rot­ver­schie­bung der Gala­xie zu bestä­ti­gen und die ultra­vio­let­te Emis­si­on der Stern­hau­fen zu unter­su­chen, die zur detail­lier­te­ren Unter­su­chung ihrer phy­si­ka­li­schen Eigen­schaf­ten ver­wen­det wer­den wird. Die MIRI-Beob­ach­tun­gen wer­den es uns ermög­li­chen, die Eigen­schaf­ten des ioni­sier­ten Gases zu unter­su­chen. Die spek­tro­sko­pi­schen Beob­ach­tun­gen wer­den es uns außer­dem ermög­li­chen, die Stern­ent­ste­hungs­ra­te räum­lich abzubilden.“

Die­se Ergeb­nis­se wur­den heu­te in Natu­re ver­öf­fent­licht. Die Daten für die­ses Ergeb­nis wur­den mit dem Webb-Beob­ach­tungs­pro­gramm Nr. 4212 (PI: L. Brad­ley) erfasst.

Hintergrundinformationen

Webb ist das größ­te und leis­tungs­stärks­te Tele­skop, das jemals ins All geschos­sen wur­de. Im Rah­men einer inter­na­tio­na­len Koope­ra­ti­ons­ver­ein­ba­rung stell­te die ESA den Start­dienst des Tele­skops mit­hil­fe der Trä­ger­ra­ke­te Aria­ne 5 bereit. In Zusam­men­ar­beit mit Part­nern war die ESA für die Ent­wick­lung und Qua­li­fi­zie­rung von Aria­ne-5-Anpas­sun­gen für die Webb-Mis­si­on sowie für die Beschaf­fung des Start­diens­tes durch Aria­nespace ver­ant­wort­lich. Die ESA stell­te außer­dem den leis­tungs­star­ken Spek­tro­gra­phen NIR­Spec und 50 % des Mit­tel­in­fra­rot­in­stru­ments MIRI zur Ver­fü­gung, das von einem Kon­sor­ti­um natio­nal finan­zier­ter euro­päi­scher Insti­tu­te (dem MIRI Euro­pean Con­sor­ti­um) in Zusam­men­ar­beit mit dem JPL und der Uni­ver­si­ty of Ari­zo­na ent­wor­fen und gebaut wurde.

Webb ist eine inter­na­tio­na­le Part­ner­schaft zwi­schen NASA, ESA und der Cana­di­an Space Agen­cy (CSA).

Bild­quel­le: ESA/Webb, NASA & CSA, L. Brad­ley (STScI), A. Ada­mo (Uni­ver­si­tät Stock­holm) und die Cos­mic Spring-Kollaboration

Links

Link zur Pres­se­mit­tei­lung: ESA/Hubble/Webb weic2418

Andreas

Andreas Schnabel war bis zum Ende der Astronomie-Zeitschrift "Abenteuer Astronomie" im Jahr 2018 als Kolumnist tätig und schrieb dort über die aktuell sichtbaren Kometen. Er ist Mitglied der "Vereinigung für Sternfreunde e.V.". Neben Astronomie, betreibt der Autor des Blogs auch Fotografie und zeigt diese Bilder u.a. auf Flickr.

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