SPHERE enthüllt Strukturen in fernen Trümmerscheiben

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Es ist eine regel­rech­te Gale­rie von Trüm­mer­schei­ben um Exo­pla­ne­ten, also Pla­ne­ten jen­seits unse­res Son­nen­sys­tems: 51 schwie­rig zu beob­ach­ten­de Objek­te, von denen das SPHE­RE-Instru­ment am Very Lar­ge Telescope der ESO detail­rei­che Bil­der erstel­len konn­te. Gaël Chau­vin (Max-Planck-Insti­tut für Astro­no­mie), Pro­jekt­wis­sen­schaft­ler des SPHE­RE-Instru­ments und Koau­tor der zuge­hö­ri­gen Ver­öf­fent­li­chung sagt: „Die­ser Daten­satz ist ein astro­no­mi­scher Schatz. Er bie­tet außer­ge­wöhn­li­che Ein­bli­cke in die Eigen­schaf­ten von Trüm­mer­schei­ben und ermög­licht Rück­schlüs­se auf klei­ne­re Kör­per wie Aste­ro­iden und Kome­ten in die­sen Sys­te­men, die auf direk­tem Wege nicht zu beob­ach­ten sind.”

In unse­rem eige­nen Son­nen­sys­tem gibt es neben der Son­ne, den Pla­ne­ten und Zwerg­pla­ne­ten wie Plu­to eine ver­wir­ren­de Viel­zahl soge­nann­ter Klein­kör­per. Beson­ders inter­es­sant sind Klein­kör­per mit Durch­mes­sern zwi­schen rund einem und meh­re­ren hun­der­ten Kilo­me­tern. Sol­che Objek­te hei­ßen Kome­ten, wenn sie (zumin­dest gele­gent­lich) Gas und Staub ver­lie­ren und dadurch cha­rak­te­ris­ti­sche sicht­ba­re Struk­tu­ren wie einen Schweif bil­den, und Aste­ro­iden, wenn sie dies nicht tun. Klein­kör­per geben uns Ein­bli­cke in die frü­hes­te Geschich­te des Son­nen­sys­tems: In der Ent­wick­lung von Staub­kör­nern zu voll­wer­ti­gen Pla­ne­ten sind soge­nann­te Pla­ne­te­si­ma­le eine Über­gangs­stu­fe, und die Aste­ro­iden und Kome­ten sind Über­res­te die­ser Ent­wick­lung: Pla­ne­te­si­ma­le, die es nicht geschafft haben, sich zu grö­ße­ren Pla­ne­ten zu ent­wi­ckeln. Klein­kör­per sind damit (etwas) modi­fi­zier­te Über­bleib­sel des Bau­ma­te­ri­als für Pla­ne­ten wie unse­re Erde!

Trümmerscheiben
SPHE­RE-Gale­rie mit Bil­dern von Trüm­mer­schei­ben. Der Zen­tral­stern ist aus­ge­blen­det, und das Licht der Staub­teil­chen ist reflek­tier­tes Ster­nen­licht. – Cre­dit: © N. Eng­ler et al./SPHERE Consortium/ESO

Kleinkörper in fernen Planetensystemen

Aktu­ell kennt die Astro­no­mie mehr als 6000 Exo­pla­ne­ten, also Pla­ne­ten, die ande­re Ster­ne umkrei­sen als die Son­ne. Das zeich­net ein span­nen­des Bild von der Viel­falt der Pla­ne­ten im Uni­ver­sum, und vom Platz unse­res eige­nen Son­nen­sys­tems im Gesamt­bild. Tat­säch­lich Bil­der von sol­chen Exo­pla­ne­ten zu machen ist aller­dings sehr schwie­rig. Der­zeit gibt es Abbil­dun­gen von weni­ger als 100 Exo­pla­ne­ten, und selbst gro­ße Pla­ne­ten erschei­nen auf jenen Bil­dern als struk­tur­lo­se, klei­ne Fle­cken. „Es scheint schlicht­weg unmög­lich, anhand von Bil­dern direk­te Hin­wei­se auf Klein­kör­per in einem fer­nen Pla­ne­ten­sys­tem zu fin­den. Und auch die indi­rek­ten Metho­den zum Nach­weis von Exo­pla­ne­ten sind kei­ne Hil­fe“, sagt Dr. Juli­en Mil­li, Astro­nom an der Uni­ver­si­tät Gre­no­ble Alpes und Mit­au­tor der Studie.

Einen Aus­weg, doch noch Infor­ma­tio­nen über sol­che fer­nen Klein­kör­per zu erlan­gen, kommt iro­ni­scher­wei­se von noch deut­lich klei­ne­ren Objek­ten. Ins­be­son­de­re in jün­ge­ren Pla­ne­ten­sys­te­men kol­li­die­ren Pla­ne­te­si­ma­le regel­mä­ßig mit­ein­an­der. Manch­mal schlie­ßen sie sich dabei zu einem grö­ße­ren Kör­per zusam­men, manch­mal flie­gen sie ihrer getrenn­ten Wege. Bei den Kol­li­sio­nen ent­ste­he gro­ße Men­gen an neu­em Staub, und die­ser Staub kann mit geeig­ne­ten Instru­men­ten auch über gro­ße Ent­fer­nun­gen hin­weg beob­ach­tet wer­den: Zer­legt man ein Objekt in klei­ne­re Bestand­tei­le, bleibt das Gesamt­vo­lu­men gleich, aber die Gesamt­ober­flä­che nimmt zu. Teilt man einen Aste­ro­iden mit einem Durch­mes­ser von einem Kilo­me­ter in Staub­kör­ner mit einem Durch­mes­ser von je einem Mikro­me­ter (= Mil­li­ons­tel Meter), ver­grö­ßert sich die Gesamt­ober­flä­che um das Mil­li­ar­den­fa­che! Das ist ein wesent­li­cher Grund, war­um es mög­lich ist, Trüm­mer­schei­ben um jun­ge Ster­ne anhand des von ihnen reflek­tier­ten Ster­nen­lichts zu beob­ach­ten. Aus den Staub-Beob­ach­tun­gen las­sen sich dann wie­der­um Rück­schlüs­se auf die Klein­kör­per des Pla­ne­ten­sys­tems ziehen.

Trümmerscheiben beobachten

Mit der Zeit wird so eine Trüm­mer­schei­be immer unschein­ba­rer: Immer mehr Staub wird durch Strah­lungs­druck aus dem Sys­tem gebla­sen, von Pla­ne­te­si­ma­len oder Pla­ne­ten ein­ge­fan­gen oder tru­delt in den Zen­tral­stern. Unser eige­nes Son­nen­sys­tem lie­fert ein Bei­spiel dafür, was nach Mil­li­ar­den von Jah­ren übrig bleibt: In die­sem Fall im Wesent­li­chen zwei Pla­ne­te­si­ma­len­gür­tel, näm­lich den Aste­ro­iden­gür­tel zwi­schen Mars und Jupi­ter und ein Reser­voir von Kome­ten außer­halb der Umlauf­bah­nen der Rie­sen­pla­ne­ten, das Kui­per­gür­tel heißt. Dazu kommt noch etwas Staub in der Bahn­ebe­ne des Son­nen­sys­tems. Bei sehr dunk­lem Him­mel kann man kurz nach Son­nen­un­ter­gang oder kurz vor Son­nen­auf­gang mit blo­ßem Auge das von die­sem Staub reflek­tier­te Licht sehen, das soge­nann­te Zodiakallicht.

Von einem außer­ir­di­schen Obser­va­to­ri­um aus wären all die­se Details schwer bis gar nicht zu erken­nen. Wäh­rend der ers­ten 50 Mil­lio­nen Jah­re in der Geschich­te eines Pla­ne­ten­sys­tems ist die Lage dage­gen ungleich güns­ti­ger. Sind sol­che jün­ge­ren Sys­te­me nicht all­zu weit ent­fernt, so zeigt die jetzt ver­öf­fent­lich­te Stu­die, dann sind sie mit den bes­ten heu­te ver­füg­ba­ren Tele­sko­pen beob­acht­bar. Was nicht heißt, dass die tech­ni­schen Her­aus­for­de­run­gen die­ser Art von Beob­ach­tung nicht enorm wären: Ein Bild einer Trüm­mer­schei­be anzu­fer­ti­gen ist so, als wür­de man ver­su­chen, aus meh­re­ren Kilo­me­tern Abstand ein klei­nes Wölk­chen von Ziga­ret­ten­rauch zu foto­gra­fie­ren, das direkt neben einem hel­len Sta­di­on­flut­licht schwebt. So etwas ist nur mit spe­zia­li­sier­ten Instru­men­ten mög­lich, und die ers­te Wahl dafür ist das SPHE­RE-Instru­ment, das im Früh­jahr 2014 an einem der Very Lar­ge Telesco­pes (VLT) der ESO in Betrieb genom­men wurde.

Sternenlicht ausblenden

Das Grund­prin­zip von SPHERE ist ein­fach. Blen­det uns im All­tag die Son­ne, dann hal­ten wir unse­re Hand vor die Augen, um das Son­nen­licht aus­zu­blen­den. So kön­nen wir Objek­te sehen, die andern­falls vom Son­nen­licht über­strahlt wer­den wür­den. Beob­ach­tet SPHERE einen Exo­pla­ne­ten oder eine Trüm­mer­schei­be, dann ver­wen­det es einen soge­nann­ten Koro­no­gra­phen, um das Licht des Sterns abzu­blo­cken: eine klei­ne Schei­be, die in den Strah­len­gang ein­ge­setzt wird und den größ­ten Teil des Ster­nen­lichts abschat­tet. Der Haken dabei ist, dass die­ses ein­fa­che Ver­fah­ren in der Pra­xis nur funk­tio­niert, wenn die Bild­ge­bung sehr prä­zi­se und sta­bil ist!

Um das zu gewähr­leis­ten, nutzt SPHERE eine extre­me Ver­si­on der adap­ti­ven Optik. Dabei wer­den die unver­meid­ba­ren Stö­run­gen, die durch das Durch­drin­gen des Lichts durch die Erd­at­mo­sphä­re ver­ur­sacht wer­den, in Echt­zeit ana­ly­siert und durch den Ein­satz eines ver­form­ba­ren Spie­gels weit­ge­hend kom­pen­siert. Ein wei­te­rer, optio­na­ler Teil von SPHERE fil­tert „pola­ri­sier­tes” Licht her­aus. Die­se Eigen­schaft hat von Staub­par­ti­keln reflek­tier­tes Licht, aber Ster­nen­licht hat sie nicht. Ins­ge­samt ist SPHERE auf die­se Wei­se beson­ders gut geeig­net dafür, Bil­der von Trüm­mer­schei­ben zu liefern.

Die Trümmerscheiben-Galerie von SPHERE

Der jetzt erschie­ne­ne Fach­ar­ti­kel prä­sen­tiert eine gan­ze Gale­rie von Bil­dern Trüm­mer­schei­ben, die mit SPHERE aus dem von klei­nen Staub­par­ti­keln jener Schei­ben reflek­tier­ten Ster­nen­licht erstellt wur­den. „Um die­se Samm­lung zu erhal­ten, haben wir Daten aus Beob­ach­tun­gen von 161 nahen, jun­gen Ster­nen ver­ar­bei­tet, deren Infra­rot­emis­sio­nen ein star­kes Indiz für das Vor­han­den­sein einer Trüm­mer­schei­be sind“, sagt Nata­lia Eng­ler (ETH Zürich), die Erst­au­torin der Stu­die. „In 51 Fäl­len konn­ten wir ein Bild der Schei­ben erstel­len. Die Bil­der zei­gen Trüm­mer­schei­ben mit ganz unter­schied­li­chen Eigen­schaf­ten – eini­ge klei­ner, ande­re grö­ßer, eini­ge von der Sei­te gese­hen und ande­re fast fron­tal – und einer beträcht­li­chen Viel­falt an Ring­struk­tu­ren. Vier der Schei­ben waren noch nie zuvor abge­bil­det worden.“

Will man die Eigen­schaf­ten einer Klas­se von Objek­ten erfor­schen, muss man eine Stich­pro­be mit hin­rei­chend vie­len Bei­spiel­ob­jek­ten unter­su­chen. Die Bil­der der 51 Trüm­mer­schei­ben ermög­li­chen die­se Art von Ana­ly­se, und offen­ba­ren eine Rei­he sys­te­ma­ti­scher Trends: Wenn ein jun­ger Stern mas­se­rei­cher ist, hat auch sei­ne Trüm­mer­schei­be ten­den­zi­ell mehr Mas­se. Das­sel­be gilt für Trüm­mer­schei­ben, bei denen sich der Groß­teil des Mate­ri­als in grö­ße­rer Ent­fer­nung vom Zen­tral­stern befindet.

Asteroidengürtel und Kuipergürtel in Exoplanetensystemen

Am inter­es­san­tes­ten an den SPHE­RE-Trüm­mer­schei­ben dürf­ten die Struk­tu­ren inner­halb der Schei­ben sein. Auf einer Rei­he von Bil­dern sind Schei­ben zu sehen, die eine kon­zen­tri­sche ring- oder band­ar­ti­ge Struk­tur auf­wei­sen: das Schei­ben­ma­te­ri­al ist in bestimm­ten Abstands­be­rei­chen vom Zen­tral­stern kon­zen­triert, ande­re Abstands­be­rei­che sind weit­ge­hend leer. Die Ver­tei­lung klei­ner Kör­per in unse­rem eige­nen Son­nen­sys­tem weist eine ähn­li­che Struk­tur auf: Die Klein­kör­per befin­den sich bevor­zugt im Aste­ro­iden­gür­tel (Aste­ro­iden) bzw. im Kui­per­gür­tel (Kome­ten).

Die Ring­struk­tu­ren dürf­ten mit der Anwe­sen­heit von Pla­ne­ten, ins­be­son­de­re von Rie­sen­pla­ne­ten, zu tun haben, die ihre Umge­bung von Klein­kör­pern “frei­fe­gen”. Eini­ge der ent­spre­chen­den Rie­sen­pla­ne­ten waren tat­säch­lich bereits beob­ach­tet wor­den. In ande­ren Fäl­len wei­sen Merk­ma­le wie schar­fe Innen­kan­ten von Rin­gen oder Schei­ben­asym­me­trien auf noch nicht beob­ach­te­te Pla­ne­ten hin. Damit lie­fert die SPHE­RE-Schei­ben­ga­le­rie gleich­zei­tig eine Lis­te loh­nen­der mög­li­cher Beob­ach­tungs­zie­le: Das Welt­raum­te­le­skop JWST oder das Extre­me­ly Lar­ge Telescope(ELT), das der­zeit in Chi­le von der ESO kon­stru­iert wird, soll­ten in nicht all­zu fer­ner Zukunft Bil­der von den Pla­ne­ten lie­fern kön­nen, die jene Struk­tu­ren erzeugen.

MP 

Hintergrundinformationen

Die hier beschrie­be­nen Ergeb­nis­se wur­den ver­öf­fent­licht als Nata­lia Eng­ler et al., „Cha­rac­te­riza­ti­on of debris disks obser­ved with SPHERE“, in der Fach­zeit­schrift Astro­no­my and Astro­phy­sics. DOI: 10.1051÷0004−6361÷202554953

Die betei­lig­ten MPIA-For­scher sind Gaël Chau­vin, Tho­mas Hen­ning, Saman­tha Brown, Mat­thi­as Sam­land und Mar­kus Feldt in Zusam­men­ar­beit mit Nata­lia Eng­ler (ETH Zürich), Juli­en Mil­li (CNRS, IPAG, Uni­ver­si­té Gre­no­ble Alpes), Nico­le Pawel­lek (Uni­ver­si­tät Wien), Johan Olofs­son (ESO), Anne-Lise Mai­re (CNRS, IPAG, Uni­ver­si­té Gre­no­ble Alpes) und anderen.

Link zur Pres­se­mit­tei­lung des MPIA

Andreas

Andreas Schnabel war bis zum Ende der Astronomie-Zeitschrift "Abenteuer Astronomie" im Jahr 2018 als Kolumnist tätig und schrieb dort über die aktuell sichtbaren Kometen. Er ist Mitglied der "Vereinigung für Sternfreunde e.V.". Neben Astronomie, betreibt der Autor des Blogs auch Fotografie und zeigt diese Bilder u.a. auf Flickr.

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