Webb beobachtet den Katzenpfotennebel

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Anläss­lich des drit­ten Jah­res sei­ner äußerst pro­duk­ti­ven wis­sen­schaft­li­chen Tätig­keit haben Astro­no­men das James Webb-Welt­raum­te­le­skop der NASA/ESA/CSA genutzt, um unter die Ober­flä­che der mas­se­rei­chen Stern­ent­ste­hungs­re­gi­on, der auch als Kat­zen­pfo­ten­ne­bel (NGC 6334) bekannt ist, zu bli­cken. Für die Beob­ach­tung kam das NIR­Cam-Instru­ment des James Webb Space Telescope zum Einsatz.

Der Pro­zess der Ent­ste­hung gro­ßer Mole­kül­wol­ken zu mas­se­rei­chen Ster­nen umfasst meh­re­re Schrit­te, von denen eini­ge von Astro­no­men noch nicht voll­stän­dig ver­stan­den sind. Der etwa 4.000 Licht­jah­re ent­fern­te Kat­zen­pfo­ten­ne­bel im Stern­bild Skor­pi­on bie­tet Wis­sen­schaft­lern die Mög­lich­keit, den tur­bu­len­ten Pro­zess von der Wol­ke zum Stern detail­liert zu unter­su­chen. Webbs Beob­ach­tung des Nebels im Nahin­fra­rot­licht baut auf frü­he­ren Unter­su­chun­gen des Hub­ble-Tele­skops der NASA/ESA und des außer Dienst gestell­ten Spit­zer-Welt­raum­te­le­skops der NASA im sicht­ba­ren bzw. Infra­rot­licht auf.

Katzenpfotennebel
Ein NIR­Cam-Aus­schnitt des Kat­zen­pfo­ten­ne­bels, einer loka­len Stern­ent­ste­hungs­re­gi­on, die aus Gas, Staub und jun­gen Ster­nen besteht. – Cre­dit: NASA, ESA, CSA, STScI

Mit sei­ner schar­fen Auf­lö­sung zeigt Webb nie zuvor gese­he­ne struk­tu­rel­le Details und Merk­ma­le: Mas­se­rei­che jun­ge Ster­ne zer­pflü­cken Gas und Staub in der Nähe, wäh­rend ihr hel­les Ster­nen­licht einen hel­len, blau leuch­ten­den Nebel erzeugt. Es han­delt sich um eine vor­über­ge­hen­de Sze­ne­rie, in der die stö­ren­den jun­gen Ster­ne mit ihrer rela­tiv kur­zen Lebens­dau­er und Leucht­kraft eine kur­ze, aber wich­ti­ge Rol­le in der grö­ße­ren Geschich­te der Regi­on spie­len. Als Fol­ge des leb­haf­ten Ver­hal­tens die­ser mas­se­rei­chen Ster­ne wird der loka­le Stern­ent­ste­hungs­pro­zess schließ­lich zum Still­stand kommen.

Die komplexe Struktur des Opernhauses

Begin­nen wir mit der Regi­on oben in der Mit­te, die auf­grund ihrer kreis­för­mi­gen, stu­fen­för­mi­gen Struk­tur den Spitz­na­men „Opern­haus“ trägt. Die Haupt­ur­sa­chen für das wol­ken­ar­ti­ge blaue Leuch­ten des Gebiets befin­den sich höchst­wahr­schein­lich im unte­ren Bereich: Ursa­che ist ent­we­der das Licht der hel­len gelb­li­chen Ster­ne oder das einer nahen Quel­le, die noch hin­ter dem dich­ten, dun­kel­brau­nen Staub ver­bor­gen ist.

Direkt unter den oran­ge-brau­nen Staub­schich­ten befin­det sich ein hell­gel­ber Stern mit Beu­gungs­spit­zen. Die­ser mas­se­rei­che Stern hat zwar sei­ne unmit­tel­ba­re Umge­bung zer­fetzt, konn­te Gas und Staub jedoch nicht über grö­ße­re Ent­fer­nun­gen zu ver­drän­gen, sodass eine kom­pak­te Hül­le aus umge­ben­dem Mate­ri­al entstand.

Bei genaue­rem Hin­se­hen fal­len Ihnen klei­ne Fle­cken auf, wie der stimm­ga­bel­för­mi­ge Bereich direkt links vom Opern­haus, der weni­ger Ster­ne ent­hält. Die­se schein­bar lee­ren Zonen deu­ten auf dich­te Staub­fi­la­men­te im Vor­der­grund hin, die noch ent­ste­hen­de Ster­ne beher­ber­gen und das Licht der Ster­ne im Hin­ter­grund blockieren.

Sterne im Scheinwerferlicht

In der Bild­mit­te sind klei­ne, feu­er­ro­te Klum­pen zu sehen, die in den brau­nen Staub ein­ge­bet­tet sind. Die­se leuch­tend roten Quel­len mar­kie­ren Regio­nen, in denen – wenn auch nur unauf­fäl­lig – mas­se­rei­che Stern­ent­ste­hung statt­fin­det. Eini­ge mas­se­rei­che blau-wei­ße Ster­ne, wie der in der unte­ren lin­ken Regi­on, schei­nen schär­fer auf­ge­löst zu sein als ande­re. Das liegt dar­an, dass jeg­li­ches Mate­ri­al zwi­schen dem Stern und dem Tele­skop durch die Stern­strah­lung zer­stört wurde.

In der Nähe des unte­ren Ran­des die­ser Regi­on befin­den sich klei­ne, dich­te Staub­fä­den. Die­se win­zi­gen Staub­klum­pen haben es geschafft, trotz der inten­si­ven Strah­lung zu über­le­ben, was dar­auf hin­deu­tet, dass sie dicht genug sind, um Pro­tos­ter­ne zu bil­den. Ein klei­ner gel­ber Bereich rechts mar­kiert die Posi­ti­on eines noch immer umhüll­ten mas­se­rei­chen Sterns, der durch das dazwi­schen­lie­gen­de Mate­ri­al hin­durch­schei­nen kann.

In der gesam­ten Sze­ne sind vie­le klei­ne gel­be Ster­ne mit Beu­gungs­spit­zen zu sehen. Hel­le blau-wei­ße Ster­ne befin­den sich im Vor­der­grund die­ses Webb-Bil­des, aber eini­ge gehö­ren mög­li­cher­wei­se zu dem aus­ge­dehn­te­ren Gebiet des Katzenpfotennebels.

Ein auf­fäl­li­ger Aspekt die­ses Webb-Bil­des ist das hel­le, rot-oran­ge­far­be­ne Oval oben rechts. Die gerin­ge Anzahl an Hin­ter­grund­ster­nen deu­tet dar­auf hin, dass es sich um ein dich­tes Gebiet han­delt, in dem der Stern­ent­ste­hungs­pro­zess gera­de beginnt. Eini­ge sicht­ba­re und noch ver­hüll­te Ster­ne sind in die­ser Regi­on ver­streut, die zur Beleuch­tung des Mate­ri­als in der Mit­te bei­tra­gen. Eini­ge noch in der Ent­wick­lung befind­li­che Ster­ne hin­ter­las­sen Hin­wei­se auf ihre Anwe­sen­heit, wie der Bug­schock unten links, der auf einen ener­gie­rei­chen Aus­stoß von Gas und Staub aus einer hel­len Quel­le hindeutet.

Ein weiteres unglaubliches Jahr voller Wissenschaft und Bilder

Webb hat auch in sei­nem drit­ten Betriebs­jahr sei­ne ehr­gei­zi­gen wis­sen­schaft­li­chen Zie­le erreicht. In der Gala­xie GZ-z13‑1, nur 330 Mil­lio­nen Jah­re nach dem Urknall, wur­de eine uner­war­te­te, hel­le Was­ser­stoff­emis­si­on ent­deckt. Mit Hil­fe sei­nes Koro­na­gra­phen nahm Webb direk­te Bil­der von Exo­pla­ne­ten im Sys­tem HR 8799 auf, die Auf­schluss über deren wahr­schein­li­che Ent­ste­hung geben. Dann ent­deck­ten die Astro­no­men einen poten­zi­el­len neu­en Exo­pla­ne­ten in der Trüm­mer­schei­be um den Stern TWA 7, die ers­te der­ar­ti­ge Ent­de­ckung, die mit dem Koro­na­gra­phen von Webb gemacht wur­de – aber sicher nicht die letz­te. Näher an unse­rem Hei­mat­pla­ne­ten konn­ten die Astro­no­men beob­ach­ten, wie sich auf dem Jupi­ter über einen Zeit­raum von nur weni­gen Stun­den Polar­lich­ter entwickelten.

Ein bemer­kens­wer­ter Blick auf einen sel­te­nen Ein­stein-Ring, eine rei­che Ansamm­lung von Gala­xien, die wie eine Lin­se auf die fer­ne Ver­gan­gen­heit wirkt, eine pro­to­pla­ne­ta­re Schei­be mit star­ken stel­la­ren Win­den und die Som­bre­ro-Gala­xie in einem völ­lig neu­en Licht – das sind nur eini­ge der Bil­der, die im ver­gan­ge­nen Jahr ver­öf­fent­licht wur­den und durch die Webb uns einen neu­en Blick auf den Kos­mos ermöglichte.

Ein beson­de­res High­light von Webb war die ers­te Ent­de­ckung von jun­gen brau­nen Zwerg­ster­nen außer­halb unse­rer Gala­xie, die ein wahr­haft atem­be­rau­ben­des Bild des Stern­hau­fens NGC 602 ergab, das einen Blick auf die vie­len Far­ben des ioni­sier­ten Gases ermöglichte.

Hintergrundinformationen

Webb ist das größ­te und leis­tungs­stärks­te Tele­skop, das jemals ins All geschos­sen wur­de. Im Rah­men eines inter­na­tio­na­len Koope­ra­ti­ons­ab­kom­mens hat die ESA den Start des Tele­skops mit der Trä­ger­ra­ke­te Aria­ne 5 durch­ge­führt. In Zusam­men­ar­beit mit ihren Part­nern war die ESA für die Ent­wick­lung und Qua­li­fi­zie­rung der Aria­ne-5-Anpas­sun­gen für die Webb-Mis­si­on sowie für die Beschaf­fung des Start­diens­tes durch Aria­nespace ver­ant­wort­lich. Die ESA stell­te auch den Arbeits­spek­tro­gra­phen NIR­Spec und 50 % des Mit­tel­in­fra­rot-Instru­ments MIRI zur Ver­fü­gung, das von einem Kon­sor­ti­um natio­nal finan­zier­ter euro­päi­scher Insti­tu­te (The MIRI Euro­pean Con­sor­ti­um) in Zusam­men­ar­beit mit dem JPL und der Uni­ver­si­tät von Ari­zo­na ent­wi­ckelt und gebaut wurde.

Webb ist eine inter­na­tio­na­le Part­ner­schaft zwi­schen NASA, ESA und der Cana­di­an Space Agen­cy (CSA).

Bild­nach­weis: NASA, ESA, CSA, STScI

Links

Link zur ESA-Pres­se­mit­tei­lung weic2513

Andreas

Andreas Schnabel war bis zum Ende der Astronomie-Zeitschrift "Abenteuer Astronomie" im Jahr 2018 als Kolumnist tätig und schrieb dort über die aktuell sichtbaren Kometen. Er ist Mitglied der "Vereinigung für Sternfreunde e.V.". Neben Astronomie, betreibt der Autor des Blogs auch Fotografie und zeigt diese Bilder u.a. auf Flickr.

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