Forscher haben mithilfe des James-Webb-Weltraumteleskops von NASA, ESA und CSA ein aktiv wachsendes supermassereiches Schwarzes Loch in einer Galaxie, nur 570 Millionen Jahre nach dem Urknall, nachgewiesen. CANUCS-LRD-z8.6 gehört zu einer Klasse kleiner, sehr weit entfernter Galaxien, die Astronomen lange Zeit Rätsel aufgaben. Sie stellt ein wichtiges Puzzleteil dar, das bestehende Theorien zur Entstehung von Galaxien und Schwarzen Löchern im frühen Universum in Frage stellt. Die Entdeckung verbindet frühe Schwarze Löcher mit den leuchtkräftigen Quasaren, die wir heute beobachten.
In den ersten drei Jahren haben Webbs Untersuchungen des frühen Universums eine zunehmende Anzahl kleiner, extrem weit entfernter und auffallend roter Objekte zutage gefördert. Diese sogenannten Little Red Dots (LRDs) bleiben für Astronomen trotz ihrer unerwarteten Häufigkeit ein spannendes Rätsel. Die Entdeckung in CANUCS-LRD-z8.6, die durch die außergewöhnlichen Fähigkeiten von Webb ermöglicht wurde, hat bei der Suche nach Antworten geholfen. Webbs Nahinfrarotspektrograph (NIRSpec) ermöglichte es den Forschern, das schwache Licht dieser entfernten Galaxie zu beobachten und wichtige spektrale Merkmale zu erkennen, die auf die Anwesenheit eines akkretierenden Schwarzen Lochs hindeuten.

Roberta Tripodi, Hauptautorin der Studie und Forscherin an der Universität Ljubljana FMF in Slowenien und am INAF – Osservatorio Astronomico di Roma in Italien, erklärte: „Diese Entdeckung ist wirklich bemerkenswert. Wir haben eine Galaxie beobachtet, die weniger als 600 Millionen Jahre nach dem Urknall entstanden ist. Sie beherbergt nicht nur ein supermassereiches Schwarzes Loch, sondern dieses Schwarze Loch wächst auch rasant – viel schneller, als wir es in einer solchen Galaxie zu diesem frühen Zeitpunkt erwarten würden. Dies stellt unser Verständnis der Entstehung Schwarzer Löcher und Galaxien im frühen Universum in Frage und eröffnet neue Forschungsansätze, um zu verstehen, wie diese Objekte entstanden sind.“
Das Team analysierte das Spektrum der Galaxie, das stark ionisiertes Gas durch energiereiche Strahlung zeigte und auf eine schnelle Rotation um eine zentrale Quelle hindeutete. Diese Merkmale sind charakteristisch für ein akkretierendes supermassereiches Schwarzes Loch. Die präzisen Spektraldaten ermöglichten eine Schätzung der Masse des Schwarzen Lochs, die für ein so frühes Stadium im Universum ungewöhnlich groß ist. Zudem zeigte sich, dass CANUCS-LRD-z8.6 kompakt ist und bisher nur wenige schwere Elemente produziert hat – eine Galaxie in einem frühen Stadium ihrer Entwicklung. Diese Kombination macht sie zu einem faszinierenden Forschungsobjekt.
Die Webb-Spektroskopie ermöglichte es dem Team außerdem, die emittierte Energie bei verschiedenen Wellenlängen zu messen und so die physikalischen Eigenschaften der Galaxie zu charakterisieren. Dadurch konnten sie die Masse der Sterne bestimmen und mit der Masse des Schwarzen Lochs vergleichen. „Die Daten von Webb waren absolut entscheidend“, ergänzte Dr. Nicholas Martis, ein Mitarbeiter der Universität Ljubljana, FMF, der bei der Analyse des Spektrums der Quelle mitwirkte. „Die von Webb aufgedeckten Spektralmerkmale lieferten eindeutige Hinweise auf ein akkretierendes Schwarzes Loch im Zentrum der Galaxie, was mit der bisherigen Technologie nicht beobachtet werden konnte. Noch faszinierender ist, dass das Schwarze Loch der Galaxie im Vergleich zu ihrer Sternmasse übermäßig massereich ist. Dies deutet darauf hin, dass Schwarze Löcher im frühen Universum möglicherweise viel schneller gewachsen sind als die Galaxien, in denen sie sich befinden.“
Astronomen haben bereits beobachtet, dass die Masse eines supermassereichen Schwarzen Lochs und seiner Wirtsgalaxie miteinander verknüpft ist: Je größer eine Galaxie wird, desto größer wird auch ihr zentrales Schwarzes Loch. CANUCS-LRD-z8.6 ist die massereichste bekannte Wirtsgalaxie aus einer so frühen Phase des Universums, doch ihr zentrales Schwarzes Loch ist sogar noch massereicher als erwartet – ein Widerspruch zur üblichen Beziehung. Das Ergebnis deutet darauf hin, dass sich Schwarze Löcher im frühen Universum möglicherweise sogar in relativ kleinen Galaxien gebildet haben und dort beschleunigt zu wachsen begannen.
„Diese Entdeckung ist ein aufregender Schritt zum Verständnis der Entstehung der ersten supermassereichen Schwarzen Löcher im Universum“, erklärte Prof. Maruša Bradač, Leiterin der Forschungsgruppe an der Universität Ljubljana, FMF. „Das unerwartet schnelle Wachstum des Schwarzen Lochs in dieser Galaxie wirft Fragen zu den Prozessen auf, die das frühe Entstehen solch massereicher Objekte ermöglichten. Wir hoffen, im Zuge unserer weiteren Datenanalyse mehr Galaxien wie CANUCS-LRD-z8.6 zu finden, die uns noch tiefere Einblicke in die Entstehung von Schwarzen Löchern und Galaxien ermöglichen könnten.“
Das Team plant bereits weitere Beobachtungen mit dem Atacama Large Millimeter/submillimeter Array (ALMA) und Webb, um das kalte Gas und den Staub in der Galaxie weiter zu untersuchen und ihr Verständnis der Eigenschaften des Schwarzen Lochs zu verfeinern. Die laufenden Forschungen zu diesem LRD sollen wichtige Fragen über das frühe Universum beantworten, darunter auch, wie sich Schwarze Löcher und Galaxien in den ersten Milliarden Jahren der Kosmologie gemeinsam entwickelt haben.
Da Astronomen das frühe Universum mit dem JWST weiter erforschen, sind weitere Überraschungen zu erwarten, die ein immer detaillierteres Bild davon liefern, wie die ersten supermassiven Schwarzen Löcher gewachsen sind und sich entwickelt haben, und damit die Voraussetzungen für die Entstehung der leuchtenden Quasare geschaffen haben, die heute das Universum erhellen.
Die Ergebnisse wurden von der CANUCS-Kollaboration aus dem Webb-Beobachtungsprogramm #1208 (PI: C. J. Willott) gewonnen und heute in Nature Communications veröffentlicht.
Hintergrundinformationen
Webb ist das größte und leistungsstärkste Teleskop, das jemals ins All gebracht wurde. Im Rahmen eines internationalen Kooperationsabkommens stellte die ESA den Startdienst für das Teleskop mit der Trägerrakete Ariane 5 bereit. In Zusammenarbeit mit Partnern war die ESA für die Entwicklung und Qualifizierung der Anpassungen der Ariane 5 für die Webb-Mission sowie für die Beschaffung des Startdienstes durch Arianespace verantwortlich. Die ESA stellte auch den Spektrografen NIRSpec und 50 % des Mittelinfrarot-Instruments MIRI zur Verfügung, das von einem Konsortium national finanzierter europäischer Institute (dem MIRI European Consortium) in Zusammenarbeit mit dem JPL und der University of Arizona entwickelt und gebaut wurde.
Webb ist eine internationale Partnerschaft zwischen der NASA, der ESA und der Canadian Space Agency (CSA).
Bildnachweis: ESA/Webb, NASA & CSA, G. Rihtaršič (Universität Ljubljana, FMF), R. Tripodi (Universität Ljubljana, FMF)
Links
Link zur ESA-Pressemitteilung weic2522











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