Entdeckung im jungen Universum: Kleine Galaxie beherbergt supermassereiches Schwarzes Loch

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For­scher haben mit­hil­fe des James-Webb-Welt­raum­te­le­skops von NASA, ESA und CSA ein aktiv wach­sen­des super­mas­se­rei­ches Schwar­zes Loch in einer Gala­xie, nur 570 Mil­lio­nen Jah­re nach dem Urknall, nach­ge­wie­sen. CANUCS-LRD-z8.6 gehört zu einer Klas­se klei­ner, sehr weit ent­fern­ter Gala­xien, die Astro­no­men lan­ge Zeit Rät­sel auf­ga­ben. Sie stellt ein wich­ti­ges Puz­zle­teil dar, das bestehen­de Theo­rien zur Ent­ste­hung von Gala­xien und Schwar­zen Löchern im frü­hen Uni­ver­sum in Fra­ge stellt. Die Ent­de­ckung ver­bin­det frü­he Schwar­ze Löcher mit den leucht­kräf­ti­gen Qua­sa­ren, die wir heu­te beobachten.

In den ers­ten drei Jah­ren haben Webbs Unter­su­chun­gen des frü­hen Uni­ver­sums eine zuneh­men­de Anzahl klei­ner, extrem weit ent­fern­ter und auf­fal­lend roter Objek­te zuta­ge geför­dert. Die­se soge­nann­ten Litt­le Red Dots (LRDs) blei­ben für Astro­no­men trotz ihrer uner­war­te­ten Häu­fig­keit ein span­nen­des Rät­sel. Die Ent­de­ckung in CANUCS-LRD-z8.6, die durch die außer­ge­wöhn­li­chen Fähig­kei­ten von Webb ermög­licht wur­de, hat bei der Suche nach Ant­wor­ten gehol­fen. Webbs Nahin­fra­rot­spek­tro­graph (NIR­Spec) ermög­lich­te es den For­schern, das schwa­che Licht die­ser ent­fern­ten Gala­xie zu beob­ach­ten und wich­ti­ge spek­tra­le Merk­ma­le zu erken­nen, die auf die Anwe­sen­heit eines akkre­tie­ren­den Schwar­zen Lochs hindeuten.

LRD Webb
Die­ses Bild zeigt die Posi­ti­on der Gala­xie CANUCS-LRD-z8.6 im Gala­xien­hau­fen MACS J1149.5+2223 im Stern­bild Löwe, auf­ge­nom­men mit der Nahin­fra­rot­ka­me­ra (NIR­Cam) von Webb. CANUCS-LRD-z8.6 gehört zu einer Klas­se klei­ner, sehr weit ent­fern­ter und auf­fal­lend roter Gala­xien, die als Litt­le Red Dots (LRDs) bezeich­net wer­den und von Webb bei sei­nen Unter­su­chun­gen des frü­hen Uni­ver­sums in zuneh­men­der Zahl ent­deckt wur­den. – Cre­dit: ESA/Webb, NASA & CSA, G. Riht­aršič (Uni­ver­si­ty of Ljublja­na, FMF), R. Tri­po­di (Uni­ver­si­ty of Ljublja­na, FMF)

Rober­ta Tri­po­di, Haupt­au­to­rin der Stu­die und For­sche­rin an der Uni­ver­si­tät Ljublja­na FMF in Slo­we­ni­en und am INAF – Osser­va­to­rio Astro­no­mico di Roma in Ita­li­en, erklär­te: „Die­se Ent­de­ckung ist wirk­lich bemer­kens­wert. Wir haben eine Gala­xie beob­ach­tet, die weni­ger als 600 Mil­lio­nen Jah­re nach dem Urknall ent­stan­den ist. Sie beher­bergt nicht nur ein super­mas­se­rei­ches Schwar­zes Loch, son­dern die­ses Schwar­ze Loch wächst auch rasant – viel schnel­ler, als wir es in einer sol­chen Gala­xie zu die­sem frü­hen Zeit­punkt erwar­ten wür­den. Dies stellt unser Ver­ständ­nis der Ent­ste­hung Schwar­zer Löcher und Gala­xien im frü­hen Uni­ver­sum in Fra­ge und eröff­net neue For­schungs­an­sät­ze, um zu ver­ste­hen, wie die­se Objek­te ent­stan­den sind.“

Das Team ana­ly­sier­te das Spek­trum der Gala­xie, das stark ioni­sier­tes Gas durch ener­gie­rei­che Strah­lung zeig­te und auf eine schnel­le Rota­ti­on um eine zen­tra­le Quel­le hin­deu­te­te. Die­se Merk­ma­le sind cha­rak­te­ris­tisch für ein akkre­tie­ren­des super­mas­se­rei­ches Schwar­zes Loch. Die prä­zi­sen Spek­tral­da­ten ermög­lich­ten eine Schät­zung der Mas­se des Schwar­zen Lochs, die für ein so frü­hes Sta­di­um im Uni­ver­sum unge­wöhn­lich groß ist. Zudem zeig­te sich, dass CANUCS-LRD-z8.6 kom­pakt ist und bis­her nur weni­ge schwe­re Ele­men­te pro­du­ziert hat – eine Gala­xie in einem frü­hen Sta­di­um ihrer Ent­wick­lung. Die­se Kom­bi­na­ti­on macht sie zu einem fas­zi­nie­ren­den Forschungsobjekt.

Die Webb-Spek­tro­sko­pie ermög­lich­te es dem Team außer­dem, die emit­tier­te Ener­gie bei ver­schie­de­nen Wel­len­län­gen zu mes­sen und so die phy­si­ka­li­schen Eigen­schaf­ten der Gala­xie zu cha­rak­te­ri­sie­ren. Dadurch konn­ten sie die Mas­se der Ster­ne bestim­men und mit der Mas­se des Schwar­zen Lochs ver­glei­chen. „Die Daten von Webb waren abso­lut ent­schei­dend“, ergänz­te Dr. Nicho­las Mar­tis, ein Mit­ar­bei­ter der Uni­ver­si­tät Ljublja­na, FMF, der bei der Ana­ly­se des Spek­trums der Quel­le mit­wirk­te. „Die von Webb auf­ge­deck­ten Spek­tral­merk­ma­le lie­fer­ten ein­deu­ti­ge Hin­wei­se auf ein akkre­tie­ren­des Schwar­zes Loch im Zen­trum der Gala­xie, was mit der bis­he­ri­gen Tech­no­lo­gie nicht beob­ach­tet wer­den konn­te. Noch fas­zi­nie­ren­der ist, dass das Schwar­ze Loch der Gala­xie im Ver­gleich zu ihrer Stern­mas­se über­mä­ßig mas­se­reich ist. Dies deu­tet dar­auf hin, dass Schwar­ze Löcher im frü­hen Uni­ver­sum mög­li­cher­wei­se viel schnel­ler gewach­sen sind als die Gala­xien, in denen sie sich befinden.“

Astro­no­men haben bereits beob­ach­tet, dass die Mas­se eines super­mas­se­rei­chen Schwar­zen Lochs und sei­ner Wirts­ga­la­xie mit­ein­an­der ver­knüpft ist: Je grö­ßer eine Gala­xie wird, des­to grö­ßer wird auch ihr zen­tra­les Schwar­zes Loch. CANUCS-LRD-z8.6 ist die mas­se­reichs­te bekann­te Wirts­ga­la­xie aus einer so frü­hen Pha­se des Uni­ver­sums, doch ihr zen­tra­les Schwar­zes Loch ist sogar noch mas­se­rei­cher als erwar­tet – ein Wider­spruch zur übli­chen Bezie­hung. Das Ergeb­nis deu­tet dar­auf hin, dass sich Schwar­ze Löcher im frü­hen Uni­ver­sum mög­li­cher­wei­se sogar in rela­tiv klei­nen Gala­xien gebil­det haben und dort beschleu­nigt zu wach­sen begannen.

„Die­se Ent­de­ckung ist ein auf­re­gen­der Schritt zum Ver­ständ­nis der Ent­ste­hung der ers­ten super­mas­se­rei­chen Schwar­zen Löcher im Uni­ver­sum“, erklär­te Prof. Maruša Bra­dač, Lei­te­rin der For­schungs­grup­pe an der Uni­ver­si­tät Ljublja­na, FMF. „Das uner­war­tet schnel­le Wachs­tum des Schwar­zen Lochs in die­ser Gala­xie wirft Fra­gen zu den Pro­zes­sen auf, die das frü­he Ent­ste­hen solch mas­se­rei­cher Objek­te ermög­lich­ten. Wir hof­fen, im Zuge unse­rer wei­te­ren Daten­ana­ly­se mehr Gala­xien wie CANUCS-LRD-z8.6 zu fin­den, die uns noch tie­fe­re Ein­bli­cke in die Ent­ste­hung von Schwar­zen Löchern und Gala­xien ermög­li­chen könnten.“

Das Team plant bereits wei­te­re Beob­ach­tun­gen mit dem Ata­ca­ma Lar­ge Millimeter/submillimeter Array (ALMA) und Webb, um das kal­te Gas und den Staub in der Gala­xie wei­ter zu unter­su­chen und ihr Ver­ständ­nis der Eigen­schaf­ten des Schwar­zen Lochs zu ver­fei­nern. Die lau­fen­den For­schun­gen zu die­sem LRD sol­len wich­ti­ge Fra­gen über das frü­he Uni­ver­sum beant­wor­ten, dar­un­ter auch, wie sich Schwar­ze Löcher und Gala­xien in den ers­ten Mil­li­ar­den Jah­ren der Kos­mo­lo­gie gemein­sam ent­wi­ckelt haben.

Da Astro­no­men das frü­he Uni­ver­sum mit dem JWST wei­ter erfor­schen, sind wei­te­re Über­ra­schun­gen zu erwar­ten, die ein immer detail­lier­te­res Bild davon lie­fern, wie die ers­ten super­mas­si­ven Schwar­zen Löcher gewach­sen sind und sich ent­wi­ckelt haben, und damit die Vor­aus­set­zun­gen für die Ent­ste­hung der leuch­ten­den Qua­sa­re geschaf­fen haben, die heu­te das Uni­ver­sum erhellen.

Die Ergeb­nis­se wur­den von der CANUCS-Kol­la­bo­ra­ti­on aus dem Webb-Beob­ach­tungs­pro­gramm #1208 (PI: C. J. Wil­lott) gewon­nen und heu­te in Natu­re Com­mu­ni­ca­ti­ons veröffentlicht.

Hintergrundinformationen

Webb ist das größ­te und leis­tungs­stärks­te Tele­skop, das jemals ins All gebracht wur­de. Im Rah­men eines inter­na­tio­na­len Koope­ra­ti­ons­ab­kom­mens stell­te die ESA den Start­dienst für das Tele­skop mit der Trä­ger­ra­ke­te Aria­ne 5 bereit. In Zusam­men­ar­beit mit Part­nern war die ESA für die Ent­wick­lung und Qua­li­fi­zie­rung der Anpas­sun­gen der Aria­ne 5 für die Webb-Mis­si­on sowie für die Beschaf­fung des Start­diens­tes durch Aria­nespace ver­ant­wort­lich. Die ESA stell­te auch den Spek­tro­gra­fen NIR­Spec und 50 % des Mit­tel­in­fra­rot-Instru­ments MIRI zur Ver­fü­gung, das von einem Kon­sor­ti­um natio­nal finan­zier­ter euro­päi­scher Insti­tu­te (dem MIRI Euro­pean Con­sor­ti­um) in Zusam­men­ar­beit mit dem JPL und der Uni­ver­si­ty of Ari­zo­na ent­wi­ckelt und gebaut wurde.

Webb ist eine inter­na­tio­na­le Part­ner­schaft zwi­schen der NASA, der ESA und der Cana­di­an Space Agen­cy (CSA).

Bild­nach­weis: ESA/Webb, NASA & CSA, G. Riht­aršič (Uni­ver­si­tät Ljublja­na, FMF), R. Tri­po­di (Uni­ver­si­tät Ljublja­na, FMF)

Links

Link zur ESA-Pres­se­mit­tei­lung weic2522

Andreas

Andreas Schnabel war bis zum Ende der Astronomie-Zeitschrift "Abenteuer Astronomie" im Jahr 2018 als Kolumnist tätig und schrieb dort über die aktuell sichtbaren Kometen. Er ist Mitglied der "Vereinigung für Sternfreunde e.V.". Neben Astronomie, betreibt der Autor des Blogs auch Fotografie und zeigt diese Bilder u.a. auf Flickr.

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