Ein neu entstandener Planet formt Staub in seiner Umgebung

  • Letz­te Ände­rung:2 Mona­ten 
  • Lese­zeit:4Minu­ten
  • Wör­ter:1102
  • Bei­trags­auf­ru­fe:81

Astro­nom­in­nen und Astro­no­men haben womög­lich einen Pla­ne­ten wäh­rend sei­ner Ent­ste­hung beob­ach­tet, der ein kom­pli­zier­tes Mus­ter in das Gas und den Staub um sei­nen jun­gen Mut­ter­stern zeich­net. Mit dem Very Lar­ge Telescope (VLT) der Euro­päi­schen Süd­stern­war­te (ESO) wur­den eine pro­to­pla­ne­ta­re Schei­be mit mar­kan­ten Spi­ral­ar­men sowie deut­li­che Anzei­chen für einen Pla­ne­ten in ihrem Inne­ren beob­ach­tet. Dies ist das ers­te Mal, dass ein Pla­ne­ten­kan­di­dat inner­halb einer Spi­ral­schei­be ent­deckt wurde.

Wir wer­den nie­mals die Ent­ste­hung der Erde mit­er­le­ben, aber hier, um einen jun­gen Stern in 440 Licht­jah­ren Ent­fer­nung, kön­nen wir mög­li­cher­wei­se in Echt­zeit die Ent­ste­hung eines Pla­ne­ten beob­ach­ten“, sagt Fran­ces­co Maio, Dok­to­rand an der Uni­ver­si­tät Flo­renz in Ita­li­en und Haupt­au­tor die­ser Stu­die, die heu­te in Astro­no­my & Astro­phy­sics ver­öf­fent­licht wurde.

Protoplanetare Scheibe
Das Bild links zeigt einen mög­li­chen Pla­ne­ten, der um den 400 Licht­jah­re ent­fern­ten jun­gen Stern HD 135344B ent­steht. Das Bild rechts ist eine Kom­bi­na­ti­on aus frü­he­ren Beob­ach­tun­gen. – Cre­dit:
ESO/F. Maio et al./T. Stol­ker et al./ ALMA (ESO/NAOJ/NRAO)/N. van der Marel et al.

Der mut­maß­lich ent­ste­hen­de Pla­net wur­de um den Stern HD 135344B in einer ihn umge­ben­den Schei­be aus Gas und Staub, einer soge­nann­ten pro­to­pla­ne­ta­ren Schei­be, ent­deckt. Der her­an­wach­sen­de Pla­net ist schät­zungs­wei­se dop­pelt so groß wie Jupi­ter und von sei­nem Mut­ter­stern so weit ent­fernt wie Nep­tun von der Son­ne. Es wur­de beob­ach­tet, wie er sei­ne Umge­bung inner­halb der pro­to­pla­ne­ta­ren Schei­be formt, wäh­rend er zu einem voll aus­ge­bil­de­ten Pla­ne­ten heranwächst.

Pro­to­pla­ne­ta­re Schei­ben wur­den bereits um ande­re jun­ge Ster­ne beob­ach­tet und wei­sen oft kom­ple­xe Struk­tu­ren wie Rin­ge, Lücken oder Spi­ra­len auf. Astro­nom­in­nen und Astro­no­men gehen seit Lan­gem davon aus, dass die­se Struk­tu­ren von jun­gen Pla­ne­ten ver­ur­sacht wer­den, die auf ihrer Umlauf­bahn um ihren Mut­ter­stern Mate­ri­al auf­wir­beln. Bis­lang war es jedoch nicht gelun­gen, einen die­ser pla­ne­ta­ri­schen Bild­hau­er bei der Arbeit zu beobachten.

Im Fall der Schei­be von HD 135344B waren zuvor von einem ande­ren Astro­no­men­team mit­hil­fe von SPHERE (Spec­t­ro-Pola­ri­me­tric High-con­trast Exo­pla­net REse­arch), einem Instru­ment am VLT der ESO, wir­beln­de Spi­ral­ar­me ent­deckt wor­den. Aller­dings fan­den kei­ne der bis­he­ri­gen Beob­ach­tun­gen die­ses Sys­tems Hin­wei­se auf einen Pla­ne­ten, der sich inner­halb der Schei­be bildet.

Mit den Beob­ach­tun­gen des neu­en Instru­ments Enhan­ced Reso­lu­ti­on Imager and Spec­tro­graph (ERIS) des VLT ver­mu­ten die For­schen­den nun, ihren Haupt­ver­däch­ti­gen gefun­den zu haben. Das Team ent­deck­te den Pla­ne­ten­kan­di­da­ten direkt an der Basis eines der Spi­ral­ar­me der Schei­be. Genau an die­ser Stel­le hat­ten die theo­re­ti­schen Berech­nun­gen den Pla­ne­ten ver­mu­tet, der für die Ent­ste­hung die­ses Mus­ters ver­ant­wort­lich sein könnte.

Was die­se Ent­de­ckung zu einem mög­li­chen Wen­de­punkt macht, ist, dass wir im Gegen­satz zu vie­len frü­he­ren Beob­ach­tun­gen das Signal des Pro­to­pla­ne­ten, der noch tief in der Schei­be ein­ge­bet­tet ist, direkt nach­wei­sen kön­nen“, sagt Maio, der an der Astro­phy­si­ka­li­schen Stern­war­te Arce­tri, einem Zen­trum des ita­lie­ni­schen Natio­na­len Insti­tuts für Astro­phy­sik (INAF), tätig ist. „Dadurch sind wir viel zuver­sicht­li­cher, dass der Pla­net tat­säch­lich exis­tiert, da wir sein eige­nes Licht beob­ach­ten können.“

Ein Begleiter für einen Stern ist geboren

Ein ande­res Astro­no­men­team hat kürz­lich eben­falls mit dem ERIS-Instru­ment einen ande­ren Stern beob­ach­tet, V960 Mon, der sich noch in einem sehr frü­hen Sta­di­um sei­ner Exis­tenz befin­det. In einer am 18. Juli in The Astro­phy­si­cal Jour­nal Let­ters ver­öf­fent­lich­ten Stu­die berich­tet das Team, dass es ein Begleit­ob­jekt zu die­sem jun­gen Stern gefun­den hat. Die genaue Natur die­ses Objekts bleibt jedoch ein Rätsel.

Die­ses Bild zeigt einen mög­li­chen Beglei­ter, der den 5.000 Licht­jah­re ent­fern­ten jun­gen Stern V960 Mono­ce­ro­tis umkreist. – Cre­dit: ESO/A. Dasgupta/ALMA (ESO/NAOJ/NRAO)/Weber et al.

Die neue Stu­die unter der Lei­tung von Anu­roop Das­gupta, Dok­to­rand bei der ESO und an der Die­go Por­ta­les Uni­ver­si­tät in Chi­le, knüpft an Beob­ach­tun­gen von V960 Mon an, die vor eini­gen Jah­ren durch­ge­führt wur­den. Die­se Beob­ach­tun­gen, die sowohl mit SPHERE als auch mit dem Ata­ca­ma Lar­ge Millimeter/submillimeter Array (ALMA) durch­ge­führt wur­den, zeig­ten, dass das Mate­ri­al, das V960 Mon umkreist, zu einer Rei­he von kom­pli­zier­ten Spi­ral­ar­men geformt ist. Sie offen­ba­ren auch, dass das Mate­ri­al in einem als „gra­vi­ta­ti­ve Insta­bi­li­tät“ bekann­ten Pro­zess frag­men­tiert, bei dem sich gro­ße Klum­pen des Mate­ri­als um einen Stern zusam­men­zie­hen und kol­la­bie­ren, wobei jeder ein­zel­ne das Poten­zi­al hat, einen Pla­ne­ten oder ein grö­ße­res Objekt zu bilden.

Die­se Arbeit hat insta­bi­les Mate­ri­al auf­ge­zeigt, aber die Fra­ge offen gelas­sen, was als Nächs­tes pas­siert. Mit ERIS haben wir uns auf die Suche nach kom­pak­ten, leuch­ten­den Frag­men­ten gemacht, die auf die Anwe­sen­heit eines Beglei­ters in der Schei­be hin­deu­ten – und wir wur­den fün­dig“, sagt Das­gupta. Das Team fand ein poten­zi­el­les Begleit­ob­jekt ganz in der Nähe eines der mit SPHERE und ALMA beob­ach­te­ten Spi­ral­ar­me. Das Team sagt, dass es sich bei die­sem Objekt ent­we­der um einen Pla­ne­ten in der Ent­ste­hung oder um einen „Brau­nen Zwerg“ han­deln könn­te – ein Objekt, das grö­ßer als ein Pla­net ist, aber nicht genug Mas­se gewon­nen hat, um als Stern zu leuchten.

Wenn sich dies bestä­tigt, könn­te die­ses Begleit­ob­jekt die ers­te ein­deu­ti­ge Ent­de­ckung eines Pla­ne­ten oder Brau­nen Zwergs sein, der durch gra­vi­ta­ti­ve Insta­bi­li­tät entsteht.

Hintergrundinformationen

Die im ers­ten Teil die­ser Pres­se­mit­tei­lung vor­ge­stell­ten For­schungs­er­geb­nis­se wur­den in dem Arti­kel „Unvei­ling a pro­to­pla­net can­di­da­te embedded in the HD 135344B disk with VLT/ERIS” ver­öf­fent­licht, der in Astro­no­my & Astro­phy­sics (doi: 10.1051/0004–6361/202554472) erschei­nen wird. Der zwei­te Teil der Pres­se­mit­tei­lung befasst sich mit der Stu­die „VLT/ERIS obser­va­tions of the V960 Mon sys­tem: a dust-embedded sub­stel­lar object for­med by gra­vi­ta­tio­nal insta­bi­li­ty?”, die in The Astro­phy­si­cal Jour­nal Let­ters (doi: 10.3847/2041–8213/ade996) ver­öf­fent­licht wurde.

Das Team, das die ers­te Stu­die (zu HD 135344B) durch­ge­führt hat, besteht aus F. Maio (Uni­ver­si­tät Flo­renz, Ita­li­en, und INAF-Osser­va­to­rio Astro­fi­si­co Arce­tri, Flo­renz, Ita­li­en [OAA]), D. Fede­le (OAA), V. Roc­ca­ta­glia­ta (Uni­ver­si­tät Bolo­gna, Ita­li­en [UBo­lo­gna] und OAA), S. Fac­chi­ni (Uni­ver­si­tät Mai­land, Ita­li­en [UNIMI]), G. Loda­to (UNIMI), S. Desi­de­ra (INAF-Osser­va­to­rio Astro­no­mico di Pado­va, Ita­li­en [OAP]), A. Garu­fi (INAF – Isti­tu­to di Radio­as­tro­no­mia, Bolo­gna, Ita­li­en [INAP-Bolo­gna] und Max-Planck-Insti­tut für Astro­no­mie, Hei­del­berg, Deutsch­land [MPA]), D. Mesa (OAP), A. Ruz­za (UNIMI), C. Toci (Euro­päi­sche Süd­stern­war­te [ESO], Gar­ching bei Mün­chen, Deutsch­land, und OAA), L. Tes­ti (OAA und UBo­lo­gna), A. Zur­lo (Die­go Por­ta­les Uni­ver­si­ty [UDP], Sant­ia­go, Chi­le, und Mill­en­ni­um Nucleus on Young Exo­pla­nets and their Moons [YEMS], Sant­ia­go, Chi­le) und G. Rosot­ti (UNIMI).

MN

Links

Link zur Pres­se­mit­tei­lung der ESO

Andreas

Andreas Schnabel war bis zum Ende der Astronomie-Zeitschrift "Abenteuer Astronomie" im Jahr 2018 als Kolumnist tätig und schrieb dort über die aktuell sichtbaren Kometen. Er ist Mitglied der "Vereinigung für Sternfreunde e.V.". Neben Astronomie, betreibt der Autor des Blogs auch Fotografie und zeigt diese Bilder u.a. auf Flickr.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert