Eindrücke aus der Polarlichtnacht

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Auch in den der­zeit recht trü­ben Novem­ber­näch­ten gibt es Inter­es­san­tes am Him­mel zu beob­ach­ten. Vor allem, wenn ein gro­ßer Son­nen­fleck auf unse­rer Son­ne zu sehen ist. Die Son­nen­fle­cken­grup­pe AR 4274 ver­ur­sach­te zahl­rei­che erd­ge­rich­te­te Rönt­gen­fla­res der Strah­lungs­klas­se M und X, wobei drei Fla­res und die anschlie­ßen­den koro­na­len Mas­sen­aus­wür­fe (CME) eine brei­te­re media­le Auf­merk­sam­keit erfuh­ren. Die ers­ten bei­den Schock­wel­len der CME, die durch einen X1.2- und einen X1.7‑Flare zwei Tage zuvor ver­ur­sacht wur­den, soll­ten in der Nacht vom 11. auf den 12. Novem­ber kurz hin­ter­ein­an­der auf der Erde ein­tref­fen. Die­se erzeug­ten um 23:30 Uhr UTC einen schwe­ren geo­ma­gne­ti­schen Sturm der Klas­se G4 im Erd­ma­gnet­feld. Obwohl ich mich in jener Nacht schon fürs Bett fer­tig gemacht hat­te und die Wet­ter­aus­sich­ten für den Spree­wald eher schlecht stan­den, beob­ach­te­te ich die Situa­ti­on ab 23 Uhr.

Sonne
Die gro­ße Son­nen­fle­cken­grup­pe AR 4274

Bis 1:30 Uhr tra­fen in der Zwi­schen­zeit schon ers­te Fotos von den Polar­lich­tern aus Nord­ame­ri­ka ein. Sie waren bis nach Kali­for­ni­en, Flo­ri­da und Texas hin­ein zu sehen. Das Gan­ze erin­nert an die Polar­lich­ter, die am 10. Mai und 10. Okto­ber 2024 über Deutsch­land zu sehen waren. Auf der DWD-Web­cam in Fal­ken­berg (Oder-Spree) war zu die­sem Zeit­punkt aller­dings noch nichts zu sehen. Das Erd­ma­gnet­feld zeig­te einen star­ken Aus­schlag mit einem Bt-Wert von 57 nT und einem Bz-Wert von ‑55 nT, gepaart mit schnel­len Pro­to­nen von bis zu 800 km/s. Das ist eigent­lich eine Garan­tie für gut sicht­ba­re Polar­lich­ter auch von Deutsch­land aus. Trotz­dem war bis kurz vor 2 Uhr MEZ auf den Web­cams der „übli­chen Ver­däch­ti­gen” noch nichts zu erken­nen. Plötz­lich zeig­te sich ein hauch­zar­ter, rosa­far­be­ner Schim­mer auf der Wet­ter­cam, denn in der Zwi­schen­zeit hat­te es aufgeklart.

Polarlicht
Polar­licht am 12. Novem­ber, 2:59 Uhr MEZ

Danach ging alles sehr schnell. Ich zog mich wie­der an, und bin­nen fünf Minu­ten war die Kame­ra­aus­rüs­tung (Canon EOS 6D und Sta­tiv) zusam­men­ge­packt. Kurz nach 2:15 Uhr stand ich auf einer klei­nen Anhö­he über dem Nebel in Trep­pen­dorf. Tat­säch­lich war der Him­mel an eini­gen Stel­len nahe dem Hori­zont in Rich­tung Nor­den leicht röt­lich ver­färbt. Spä­ter war deut­lich sicht­ba­res Polar­licht auf einer Län­ge von bis zu 100° und in einer Höhe von bis zu 40° zu sehen. Es gab zwei Peaks mit eini­gen hel­len Strea­mern und deut­lich visu­ell sicht­ba­ren roten Vor­hän­gen. Das röt­li­che Glü­hen in die­ser Polar­licht­nacht hielt sich bis 3:30 Uhr. Danach zog lang­sam Hoch­ne­bel auf, der die Beob­ach­tung des drit­ten Sub­sturms kurz nach 4 Uhr lei­der ver­hin­der­te. Im Nach­hin­ein ver­ur­sach­te die Mate­rie­wol­ke der bei­den Fla­res einen star­ken G4-Sturm mit einem Kp-Wert von 9. Selbst auf den Alpen­web­cams und sogar in Süd­spa­ni­en waren Polar­lich­ter am Hori­zont erkennbar.

Polar­licht am 12. Novem­ber, 3:11 Uhr MEZ

Am Nach­mit­tag des­sel­ben Tages soll­te die Teil­chen­wol­ke des X5.1‑Flares schließ­lich mit hoher Geschwin­dig­keit das Erd­ma­gnet­feld errei­chen. Im Gegen­satz zu den ande­ren Rönt­gen­fla­res war die­ser nicht genau auf die Erde aus­ge­rich­tet. Je nach Modell gab es ver­schie­de­ne Ankunfts­zei­ten. Bis 20 Uhr MEZ tat sich aller­dings nichts. Schließ­lich ver­zeich­ne­te der ACE-Satel­lit am Lagran­ge­punkt L1 zwi­schen Erde und Son­ne einen Impakt der Teil­chen­wol­ke. Lei­der war die Teil­chen­dich­te zu gering und das Erd­ma­gnet­feld über­wie­gend nach Rich­tung Nor­den aus­ge­rich­tet. Somit ver­puff­te die Ener­gie der gela­de­nen Teil­chen größ­ten­teils. Trotz­dem gab es in jener Nacht hel­le Polar­lich­ter über Nord­ame­ri­ka, wenn auch nicht so ein­drucks­voll wie in der Nacht zuvor.

Zu die­sem Zeit­punkt hat­te sich das Polar­licht­oval bereits von Euro­pa weg­ge­dreht. Allen­falls war zwi­schen der hohen Zir­rus­be­wöl­kung gegen 4 Uhr mor­gens ein hauch­zar­ter röt­li­cher Schim­mer auf der Web­cam in Fal­ken­berg zu erken­nen. Doch war­um hat Euro­pa in der Nacht vom 11. auf den 12. Novem­ber weni­ger Polar­lich­ter gese­hen als Nord­ame­ri­ka? Das liegt dar­an, dass sich der geo­ma­gne­ti­sche Nord­pol näher an Nord­ame­ri­ka befin­det. Orte in Nord­ame­ri­ka, die geo­gra­phisch wei­ter süd­lich als ver­gleich­ba­re Orte in Euro­pa lie­gen, lie­gen geo­ma­gne­tisch gese­hen wei­ter nörd­lich. Aus die­sem Grund bie­ten die nörd­li­chen US-Bun­des­staa­ten einen deut­li­chen Vor­teil für impo­san­te Polar­licht­erschei­nun­gen als Orte in Mitteleuropa.

Weiterführende Links:

Spiegel.de – Polar­lich­ter über Euro­pa | Tages­schau – Chan­ce auf erneu­tes Him­mels­spek­ta­kel | Frank­fur­ter Rund­schau – War­um es letz­te Nacht kein Polar­licht-Spek­ta­kel über Deutsch­land gab | AKM-Forum – Polar­licht 2025−11−11÷12

Andreas

Andreas Schnabel war bis zum Ende der Astronomie-Zeitschrift "Abenteuer Astronomie" im Jahr 2018 als Kolumnist tätig und schrieb dort über die aktuell sichtbaren Kometen. Er ist Mitglied der "Vereinigung für Sternfreunde e.V.". Neben Astronomie, betreibt der Autor des Blogs auch Fotografie und zeigt diese Bilder u.a. auf Flickr.

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