Der Kugelsternhaufen Messier 71 (NGC 6838), im nördlichen Sternbild Pfeil (Sagitta), wurde im Jahr 1746 von dem Schweizer Astronomen und Mathematiker Jean-Philippe de Cheseaux entdeckt. Der deutsche Astronom Johann Gottfried Köhler beobachtete den Sternhaufen zwischen den Jahren 1772 und 1779 von Dresden aus. Charles Messiers Freund und Kollege Pierre Méchain fand den Kugelhaufen am 28. Juni 1780 ebenfalls unabhängig. Messier nahm die Entdeckung Méchains zum Anlass, ihn am 4. Oktober 1780 ebenfalls zu beobachten und zu katalogisieren. Der französische Astronom beschrieb ihn als sehr schwachen Nebel ohne Sterne, zwischen den Sternen Gamma und Delta des Sternbilds Pfeils. Der deutsch-britische Astronom Friedrich Wilhelm Herschel war schließlich der erste Beobachter, der den Sternhaufen im Jahr 1783 in seine Einzelsterne auflösen konnte. Im angelsächsischen Sprachraum trägt M 71 den Eigennamen „Angelfish Cluster“.
Ein ungewöhnlicher Kugelsternhaufen in der Sommermilchstraße
Messier 71 ist mit einer scheinbaren Helligkeit von 6,1 mag das hellste Deep-Sky-Objekt im kleinen aber trotzdem recht ansehnlichen Sternbild Pfeil. Was diesen Kugelsternhaufen aus der Sicht der Beobachter so besonders macht ist die Tatsache, dass dieser vollständig bis zum Kern aufgelöst werden kann, was bei Kugelsternhaufen eher selten der Fall ist. M 71 gehört zum inneren galaktischen Halo und steht nur 12.700 Lichtjahre von der Erde und 21.800 Lichtjahre vom galaktischen Zentrum entfernt. Er besitzt eine Leuchtkraft von rund 19.000 Sonnen, eine Masse von 53.000 Sonnenmassen und einen scheinbaren Durchmesser von 7,2 Bogensekunden. Sein wahrer Durchmesser beläuft sich auf ca. 27 Lichtjahre. Die Einordnung des Objekts als Kugelsternhaufen galt lange als umstritten.
Bis in die 1970er Jahre hinein galt M 71 als dicht besiedelter offener Sternhaufen. Heutzutage geht man aber davon aus, dass es sich bei Messier 71 um einen sehr locker konzentrierten Kugelsternhaufen handelt. Er besitzt die Konzentrationsklasse X bis XII, ähnlich wie die kugelförmigen Sternhaufen Messier 68 in der Hydra oder NGC 5053 in Coma Berenices. Seine Erscheinungsform und andere astrophysikalische Parameter, wie das Farben-Helligkeits-Diagramm, sprechen aber eher für einen dicht gedrängten offenen Sternhaufen, ähnlich Messier 11 im Sternbild Scutum. Eine zentrale Konzentration zur Mitte ist nicht erkennbar. Auch seine Mitgliedssterne sind deutlich metallreicher als in anderen Kugelsternhaufen. Die Sterne kommen auf eine Metallizität von einem Fünftel des solaren Wertes. Die meisten Kugelsternhaufen weisen dagegen nur ein Hundertstel der Metallhäufigkeit unserer Sonne auf.
Fehlende Haufenveränderliche
Haufenveränderlichen vom Typ RR Lyrae fehlen in Messier 71 völlig, die man normalerweise recht zahlreich in Kugelsternhaufen findet. Untersuchungen zeigen aber einen kurzen horizontalen Riesenast im H‑R Diagramm, der normalerweise einen Kugelsternhaufen charakterisiert. Dieser kurze Ast erklärt womöglich auch das Fehlen der RR-Lyrae-Sterne. Trotz alledem wurden in Messier 71 mehr als 40 veränderliche Sterne entdeckt. Der hellste von ihnen, Z Sagittae, ist ein halbregelmäßiger Veränderlicher Roter Riese der Spektralklasse M. Dieser schwankt mit einer scheinbaren Helligkeit zwischen 13,5 bis 15,7 mag innerhalb von 190,8 Tagen. Neben den veränderlichen Sternen wurden auch 13 Blaue Nachzügler (Blue Stragglers) gefunden, die ebenfalls typisch für kugelförmige Sternhaufen sind. Nur rund 320 Sterne, bis zu einer Grenzgröße von 18,5 mag, konnten in einem Radius von 3 Bogenminuten vom Kern eindeutig M 71 zugeordnet werden. Damit gehört der Kugelsternhaufen zu den kleinsten seiner Art. Außerdem gehört Messier 71, mit einem Alter von 9 bis 10 Milliarden Jahren, zu den jüngeren Kugelhaufen des Milchstraßenhalos. Ähnliche Werte weisen nur noch NGC 104 (47 Tucanae) und M 68 auf. Womöglich hat der Haufen, während seines 160 Millionen Jahre dauernden Umlauf um das galaktische Zentrum, zahlreiche Mitgliedssterne verloren. Außerdem entfernt er sich nie weit von der galaktischen Scheibe. Der letzte Durchgang durch diese fand vermutlich vor rund 16 Millionen Jahren statt.
Neuere Studien unter Zuhilfenahme des Chandra-Röntgenobservatorium der NASA weisen fünf Röntgenquellen innerhalb des Kernradius von M 71 nach. Bei einem dieser Röntgenquelle handelt es sich um einen Materie akkretierenden binären Millisekundenpulsar (PSR J1953+1846A). Dieser umkreist seinen Begleitstern innerhalb von nur 4,2 Stunden. In der Nähe zu Messier 71, nur ein halbes Grad südwestlich, befindet sich der ziemlich lichtschwache und deshalb eher schwierig zu beobachtende offene Sternhaufen Harvard 20 (Collinder 408). Dieser besitzt rund 30 Sterne, eine scheinbare Ausdehnung von 7,8 Bogenminuten und eine Helligkeit von 9,6 mag.
Beobachtung
Schon unter einem etwas aufgehellten Himmel lohnt es sich bereits einen Blick auf Messier 71 zu werfen. Mit einem guten 10x50 Fernglas, unter einem guten Landhimmel, sieht man auf halber Strecke zwischen Gamma und Delta Sagittae, in der Nähe des 6 mag hellen Sterns 9 Sagittae, einen hellen, runden und diffusen Nebelfleck, mit einem etwas hellerem Zentrum. Im größeren 16x70 Feldstecher erkennt man einen ziemlich ausgedehnten Lichtfleck, in einer sternreichen Umgebung, der bereits leichte Auflösungserscheinungen zeigt. Sein Rand erscheint deutlich diffus. Diesen Eindruck bietet einem auch ein Teleskop zwischen 2 ½ und 4‑Zoll Öffnung. Hier zeigt sich bei Vergrößerungen um 40-fach eine mäßig kondensierte Aufhellung, die mit höherer Vergrößerung leicht körnig wirkt. Der Sternhaufen erscheint unregelmäßig und eher oval. Ein auffälliger Stern der 11. Größenklasse befindet sich direkt am Südrand von M 71. Mit 6 bis 8‑Zoll Öffnung und mittleren Vergrößerungen erscheint der Kugelhaufen mittelgroß, in Form des Buchstaben „Y“ bzw. dreiecksförmig, sehr hell und leicht gesprenkelt. Mit hoher Vergrößerung um 130-fach sind nur rund 20 bis 30 Sterne der 12. bis 14. Größenklasse zu erkennen. Diese präsentieren sich vor einem diffusen Hintergrund unaufgelöster Sterne. Messier 71 wirkt nun wenig zur Mitte hin konzentriert. Der Hintergrund bleibt eher neblig. Dunkle Flecken innerhalb des Haufens sind ebenfalls wahrnehmbar. Zwei auffällige Sternenketten ragen in Richtung Nordosten aus dem Sternhaufen heraus. Bei noch größerer Öffnung von 10 bis 12-Zoll und Vergrößerungen zwischen 100 und 120-fach ähnelt M 71 eher einem kompakten offenen Sternhaufen. Dieser erscheint nun deutlich unsymmetrisch und leicht pfeil- bzw. fächerförmig, mit einer nach Südwesten zeigenden Spitze. Es sind rund 150 schwachen Einzelsternen erkennbar. Die Westseite des Haufens ist nun deutlich schärfer definiert. Es gestaltet sich mit dieser Öffnung allerdings als recht schwierig, zwischen den Sternen des Haufens und den Vordergrund- bzw. Hintergrundsternen unserer Heimatgalaxie zu unterscheiden.
Die beste Zeit Messier 71 zu beobachten sind die Sommer- und Herbstmonate, wenn das Sternbild Pfeil in großer Höhe im Süden kulminiert. Um M 71 aufzusuchen gehen wir zuerst vom Sternbild Aquila aus. Das Sternbild Sagitta befindet sich direkt oberhalb des Adlers. Es besteht zur Hauptsache aus vier Sternen, die fast eine gerade Linie bilden. Der Kugelsternhaufen ist sehr leicht aufzufinden, liegt er doch genau in der Mitte dieser Verbindungslinie, zwischen den beiden hellen Sternen Gamma (3,5 mag) und Delta Sagittae (3,7 mag). Rund 1,2° östlich von Delta Sge steht eine Kette aus Sternen der 6. bis 8. Größenklasse, an deren Südende sich der 6 mag helle Stern 9 Sge befindet. M 71 steht ca. 20 Bogenminuten nordöstlich dieses Sterns.
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Steckbrief für Messier 71
Objektname | Messier 71 |
Katalogbezeichnung | NGC 6838, GCL 115 |
Typ | Kugelsternhaufen, XI |
Sternbild | Pfeil (Sagitta) |
Rektaszension (J2000.0) | 19h 53m 46,1s |
Deklination (J2000.0) | +18° 46′ 44″ |
V Helligkeit | 8,4 mag |
Flächenhelligkeit | 12,0 mag |
Winkelausdehnung | 7,2′ |
Durchmesser | 27 Lichtjahre |
Entfernung | 12.700 Lichtjahre |
Beschreibung | Cl,vL,vRi,pmC,*11…16; Arrowhead shape, stars have few metals |
Entdecker | Jean-Philippe de Cheseaux, 1746 |
Sternatlanten | Cambridge Star Atlas: Chart 6, 7 & 12 Interstellarum Deep Sky Atlas: Chart 41 & 42 Millennium Star Atlas: Charts 1219–1220 (Vol III) Pocket Sky Atlas: Chart 64 Sky Atlas 2000: Chart 8 Uranometria 2nd Ed.: Chart 66 |